"Tatort" Stuttgart: Tod eines Saubermanns

"Tatort: Der Inder"ORF/ARD/Alexander Kluge
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Der "Tatort: Der Inder" bedient Skeptiker mit fiktionalen kriminellen Machenschaften rund um "Stuttgart 21". Topaktuell, aber auch klischeehaft.

Unsere "Tatort"-Wertung:

3,5 von 5 Punkten

Worum geht’s?

Diesmal haben die Leiche und ihre Machenschaften besondere Brisanz: Der ehemalige Staatssekretär Dillinger (als glatter und distanzierter Saubermann: Robert Schupp) muss vor einem Untersuchungsausschuss zum mutmaßlichen Bauskandal im Umfeld des Projekts „Stuttgart 21“ aussagen – und wird kurz darauf beim Joggen erschossen. Noch bevor die Ermittlungen richtig los gehen, bekommt die Polizei die Weisung, in der Öffentlichkeit den Namen des ehemaligen Ministerpräsidenten aus der Sache herauszuhalten. Die Medien dürften auf gar keinen Fall Wind davon bekommen, dass der Ex-Politiker, der „Stuttgart 21“ initiierte und so wie Dillinger unter Korruptionsverdacht steht, Zeuge des Mordes wurde.

Wer ermittelt?

Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) gehören zu den verschlossenen „Tatort“-Kommissaren. Sie sind die Vertreter der alten Schule: Gesprochen wird nur, wenn es nötig ist. Emotionen gibt’s nicht. Und das Privatleben liegt im Schließfach. Aber sie sind beide nicht die harten Kerle, als die sie sich ausgeben – beiden ist die Menschlichkeit nicht abhanden gekommen. Als flockige Aufmunterung an jedem noch so übel riechenden Tatort: Dr. Vogt (Jürgen Hartmann), der trocken Ibsen zitiert, wenn er eine zerstückelte Leiche in einem Koffer inspiziert („Ich würde sagen, das ist der Pries für seine Stellung als Künstler“), und ein Auge auf die Staatsanwältin (Carolina Vera) geworfen hat, die ihn beflissentlich ignoriert.

Was gefällt?

Die Krimihandlung ist mit einem ebenso realen wie umstrittenen wirtschaftspolitischen Thema unterlegt: Das Verkehrs- und Stadtenwicklungsprojekt „Stuttgart 21“ hat für heftige Proteste gesorgt und bei vielen Menschen ein mulmiges Gefühl hinterlassen, weil sie sich um die Umwelt oder das Thermalwasser sorgten – und Korruption oder Manipulation zu Gunsten von Politikern und Großinvestoren vermuten. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Die Story, die über die verschiedenen Protagonisten das ganze Spektrum der unterschiedlichen Positionen dazu abhandelt, ist also topaktuell. Vom nebulosen "Inder", der im Titel steht, ist zwar viel die Rede - auftauchen tut der Großinvestor, der sich als Hochstapler herausstellte und für eine Mega-Pleite mit verantwortlich ist, aber nicht.

Wo hakt's?

Dieser Krimi unterstellt, wenn auch nur fiktional, einigen erfundenen Personen rund um das reale Projekt "Suttgart 21" kriminelle Machenschaften - nach dem Motto: Eh klar, da musste ja was faul sein! Demonstranten werfen Molotow-Cocktails und zünden Polizeiautos an - eh klar! Auch die Darstellung der Medien-Meute ist sehr klischeehaft. Dass Menschen, deren Beruf es ist, kritisch nachzufragen (um dann die Öffentlichkeit in wichtigen Angelegenheiten zu informieren), im Fernsehen oft als miese Schmierfinke rüberkommen, trägt zum schlechten Image des Berufsstandes bei. Die junge Online-Journalistin, die in diesem Fall übers Ziel hinaus schießt, bedient Vorurteile, ohne wirklich Essentielles zur Handlung beizutragen.

Was noch?

Lannert und Bootz erledingen in diesem „Tatort“ auch so etwas wie eine verdeckte Ermittlung: Sie erforschen quasi nebenbei, was politische und wirtschaftliche Macht aus Menschen werden lässt. Der analytische Gerichtsmediziner Vogt spricht einen der Aspekte aus: „Macht Politik einsam?“ Die Frau Staatsanwalt quittiert das mit einem irritierten: „Haben Sie irgendwas?“ Das sind die schönsten Momente dieses „Tatort“, der mit einer Leiche im Koffer beginnt – und endet.

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