"Tatort" Luzern: Die hässliche Seite der Schweiz

Tatort
Tatort(c) ORF (SRF/Daniel Winkler)
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Mit dem Schweizer Krimi "Schutzlos" geht der "Tatort" in die Sommerpause. Reto Flückiger und Liz Ritschard ermitteln im Modfall eines nigerianischen Drogendealers.

Unsere "Tatort"-Wertung:

3,5 von 5 Punkten

Worum geht’s?

Am Anfang von „Schutzlos“ sieht man einen Asylwerber aus Afrika, wie er von Polizisten in der Schweiz untersucht wird. „Was ist der Grund für Ihre Reise“, fragt einer der Beamten. Er beantrage Asyl, antwortet Ebi Osodi (Charles Mnene). Er ist ein UAM – ein unbegleiteter asylsuchender Minderjähriger. „Bitte nicht lachen“, wird Ebi angewiesen, als sein Foto für den Antrag gemacht wird. Der Satz passt für die ganze Folge: Zu lachen oder lächeln gibt es für diese Jugendlichen nichts. Zwei Jahre nachdem er in der Schweiz angekommen ist, wird Ebi erstochen aufgefunden. War es ein „Mord im Asyl-Milieu“, wie der neue Polizeipräsident meint? Oder eine Abrechnung zwischen Drogendealern, zu denen auch Ebi inzwischen gehört? Der Polizeipräsident macht den Ermittlern Reto Flückiger (Stefan Gubser) Liz Ritschard (Delia Mayer) schnell klar: Sie sollen möglichst wenig Ressourcen aufwenden. Denn er findet: „Alle Menschen sind gleich, aber ein paar sind eben gleicher“.

Wer ermittelt?

Reto Flückiger ist angeschlagen. Kopfweh, Halluzinationen und Übelkeit plagen den Schweizer Ermittler. An einem Hirntumor liege das aber nicht, beruhigt ihn der Arzt. Das sei „nur“ Migräne und zu viel Stress. So wird „Schutzlos“ mehr ein Fall für Liz Ritschard, die dafür sogar ins Ausland reist.

Was gefällt?

Der „Tatort“ wirkt gut recherchiert: Die Arbeitsteilung der Dealer-Banden in Vermittler (er nimmt die Bestellung entgegen), Kassierer (nimmt das Geld) und Dealer (übergib die Ware) kenn man aus US-Serien wie "The Wire". Dass diese Praxis auch in der Schweiz gängig ist, überrascht. Die Ermittlungen des Duos führen zu Junkies und in zwielichtige Spelunken. Alles in allem recht depminierend. Insbesondere, weil den asylsuchenden Jugendlichen jede Hoffnung fehlt. Und jedes Vertrauen in das System. Erschütternd ist etwa die Szene, in der die junge Jola (Marie-Helene Boyd) darüber spricht, wie sie von Schleppern entführt, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen wurde – der Befrager lässt jede Empathie vermissen. „Ich bin kein Sozialarbeiter, sondern Beamter“, sagt er. Bürokratie kann ganz schön unmenschlich sein.

Wo hakt's?

Am Schluss von „Schutzlos“ gibt es noch viele offene Fragen – zu viele. Wenn der Polizeipräsident am Ende das strenge Asylgesetz lobt, dann weiß man: Dieser Fall zeigt die hässliche Seite der Schweiz. Und damit ist nicht die Junkie-Szene gemeint.

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