"Tatort": Schlechte Stimmung in Münster

Thiel (Axel Prahl, l.) und Boerne (Jan Josef Liefers, r.) sind auf Tretbootverfolgundsjagd im Schwanensee.
Thiel (Axel Prahl, l.) und Boerne (Jan Josef Liefers, r.) sind auf Tretbootverfolgundsjagd im Schwanensee.(c) WDR/Willi Weber
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Kommissar Thiel und Professor Boerne ermitteln im Fall "Schwanensee" in einem grau-blauen Münster. In einem Psychotherapiezentrum wurde eine tote Patientin gefunden.

Unsere Wertung für diesen "Tatort":

3 von 5 Punkten.

Worum geht's in "Schwanensee"?

Im Haus "Schwanensee", einem psychotherapeutischen Wohnheim, wird am Grunde des Schwimmbeckens die mit Gewichten beschwerte Leiche einer Patientin entdeckt - oder, wie der Leiter der Einrichtung sagen würde, einer "Besucherin". Immerhin rühmt sich "Schwanensee" dafür, Modernität, Offenheit und Verständnis in die Therapie zu bringen. Als Professor Boerne - im Taxi zum Flughafen sitzend - von dem Unglück hört, sagt er den anstehenden Urlaub auf den Malediven kurzerhand ab: Er hält den "Schwanensee"-Leiter ohnehin nicht für kompetent und macht sich voller Elan daran, seinem Kollegen falsche Methoden nachzuweisen. Die wenigen Patienten des exklusiven Therapiezentrums scheinen sich - im Gegensatz zu Boerne - nicht besonders für den Fall zu interessieren. Die Tote - eine junge, opulente Schönheit mit dem mysteriös klingenden Namen Mona Lux - führt die Polizei zur "Münsteraner Mafia", wie Staatsanwältin Klemm sagt: ins städtische Gastrogewerbe und geradewegs in einen Sumpf von Steuerhinterziehung, Korruption, Geldwäsche. (Das heißt auch: Es geht auffällig oft ums Essen. Empfohlen werden Pistazien - Thiels Assistentin Nadeshda isst ziemlich viele von denen.)

Worum geht's wirklich?

311.468: Diese Zahl wiederholt der "Schwanensee"-Patient Kullmann, ein Autist, auffallend oft. Und sie bringt schließlich auch Kriminalhauptkommissar Thiel auf die richtige Spur. Die wasserlastige Bildsprache, die diesen "Tatort" trägt, erschließt sich mit der Auflösung des Falls - man will hier die dicken Fische fangen, für Münsteraner Verhältnisse zumindest.

Wer ermittelt?

Technisch gesehen ermittelt Kriminalhauptkommissar Thiel (Axel Prahl) mit (der wunderbar toughen) Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) an seiner Seite. Doch für diesen Fall gilt mehr denn je in Münster: Der Rechtsmediziner Professor Boerne (Jan Josef Liefers) ist der eigentliche zweite Part des Duos, und in "Schwanensee" vielleicht sogar beide Hälften. Denn Thiel braucht auffallend lange, um wirklich in den Fall hineinzufinden - und ist auch auffallend noch schlechter gelaunt als ohnehin schon. Natürlich lebt der Münster-"Tatort" von seinen Charakteren - doch Thiel ist in diesem Fall beinahe eine Karikatur seiner selbst, fast schon zu ruppig; und selbes gilt für Nadeshda, die normalerweise recht sprudelig neben ihrem miesepetrigen Vorgesetzten wirkt - Thiel dürfte mittlerweile schon abgefärbt haben auf seine Assistentin. Boerne hingegen schafft es plötzlich, in diesem - lange Zeit medizinischen - Fall wie ein Mensch mit Gefühlen zu erscheinen und ein richtiger Sympathieträger zu werden. Der Professor ist der Motor des Falls, in dem weder Thiel noch Krusenstern glänzen.

Was gefällt?

Münster funktioniert immer. Es ist einfach schön zu sehen, wenn Thiel und Boerne wie ein Ehepaar auf der Couch drapiert wurden, Thiel mit Bier, Boerne mit Rotwein, die Hand schützend hinter "seinem" Kommissar auf der Lehne. Es ist dieses Spiel mit der Hassliebe der Zwei, das immer noch nicht langweilig geworden ist.

Was gefällt noch?

Nadeshda fordert von ihren rein männlichen Kollegen subtil ein, was ihr zusteht, Respekt nämlich. Das macht sie erfolgreich - und Thiel will nicht wie "ein alter Chauvi" rüberkommen.

Woran hakt's?

Irgendwie ist die Stimmung schlecht in Münster. Das kann an der nass-kalten Bildsprache liegen, dem vielen Glas und dem Beton des Therapiezentrums, dem - nun ja - Ententeich (Schwanensee?) davor, dem Schwimmbecken und Boernes urlaubstechnischer Tauchvorbereitung. Oder an dem wirklich übel gelaunten Thiel und der grantigen Nadeshda. Oder daran, dass Boernes Assistentin Alberich (Christine Urspruch) verhältnismäßig selten etwas zu sagen hat in diesem Fall. Die gewohnte Münsteraner Gemütlichkeit ist jedenfalls dahin. Das ist das Eine - das Andere: Dieser "Tatort" ist einfach nicht spannend. Die Geschichte wirkt beliebig, erschließt sich einem auch nach dem Ende nicht richtig, es gibt noch dazu keine großen Verdachtsmomente - es ist eigentlich alles gesagt, wenn man erwähnt, dass die größte Actionszene eine Tretbootverfolgungsjagd ist.

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