"Tatort": Diesen Mörder möchte man wieder sehen

Tatort: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes
Tatort: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes(c) NDR/Philip Peschlow
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Die erste Fortsetzung in der Tatort-Geschichte: In „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ ruft ein entwischter Serienmörder zum zweiten Mal die Kieler Kommissare auf den Plan. Beklemmend.

Unsere Wertung für diesen „Tatort“:

4,5 von 5 Punkten.

Worum geht’s?

Die Tiefkühltruhe ist mit Luftlöchern versehen. Sie fallen sofort auf. Ein Mann hievt eine Frau in die Truhe, packt sie ins Auto, lädt sie am Strand ab. Als sie später blinzelnd aus der Truhe steigt, ist sie komplett verstört. Im Kieler Kommissariat zeichnet sie ein Bild des Mannes, das den Ermittlern – und fleißigen „Tatort“-Schauern – bekannt vorkommt: Das ist doch Kai Korthals, ein Psychopath und Serienmörder, der im Fall „Borowski und der stille Gast“ (2012) durch seine Gabe auffiel, sich lautlos in Wohnungen von Frauen zu schleichen, wo er sich als unsichtbarer Mitbewohner einnistete, um die Frauen schließlich zu ermorden, wenn sie ihn entdeckten. Auch Kommissarin Brandt hat er damals bedrängt. Im finalen Showdown verletzte er sich, wurde vom Notarzt abtransportiert – und konnte so entkommen. Nun ist er also wieder da. Doch er scheint sein Beuteschema geändert zu haben – oder wozu die Luftlöcher?

Worum geht’s wirklich?

An Gefährlichkeit hat Korthals (genial: Lars Eidinger), der sich in einigen Listen der übelsten „Tatort“-Bösewichte findet, nicht eingebüßt. „Er kommt überall rein. Er kommt durch die Wand“, sagt die Frau aus der Tiefkühltruhe und spricht damit aus, was das eigentlich Unheimliche an dem perversen Stalker ist: Nämlich nicht, dass er bereit ist zu töten – sondern dass er in die Privatsphäre seiner Opfer eindringen kann, dass er ihre Zahnbürsten ableckt und weiß, wie ihre Küchenschränke eingeräumt sind. Und dass man nie genau sagen kann, ob er da war oder ob er sich nicht sogar in diesem Moment hinter der Tür versteckt.

Wer ermittelt?

Klaus Borowski (Axel Milberg) und die kühle Sarah Brandt (Sibel Kekilli), nach kurzem Schock wieder auf Rache eingestellt, sind dem „stillen Gast“ auf der Spur. Wobei Borowski der Sinn ja gar nicht nach Verbrechensbekämpfung steht: Er ist nämlich schwer verliebt! Der sonst so grantige Kommissar hat sich mit der Psychologin Frieda Jung verlobt und zeigt sich von seiner einfühlsamen, leidenschaftlichen Seite – und genau das macht ihn verletzlich. Als Korthals Frieda entführt, um seinerseits Forderungen an die Polizei zu stellen, muss sich Borowski fragen, ob ein Kommissar seinen Beruf wirklich aus seinem Liebesleben heraushalten kann.

Duell zweier Verzweifelter: Borowski lässt sich auf einen Deal mit einem Mörder ein.
Duell zweier Verzweifelter: Borowski lässt sich auf einen Deal mit einem Mörder ein.(c) NDR/Philip Peschlow

Was gefällt?

Milberg gibt überzeugend einen verzweifelnden Borowski, der vor unorthodoxen Methoden nicht zurückschreckt, um seine Frieda zu retten. Die Spannung reißt nicht ab in diesem Fall – auch nicht, als aus den sachlichen Ermittlungen ein persönliches Duell zweier Männer wird, für die viel auf dem Spiel steht. Selten lagen Gut und Böse in einem „Tatort“ so nah beieinander. Zudem bekommt der Täter in diesem Fall etwas, das sonst nur den Ermittlern gegönnt ist: Eine Entwicklung, die über das Ende einer Folge hinausgeht. Er ist nicht nur Stalker, er ist auch leidender Vater, der sich nach einem normalen, glücklichen Leben sehnt. „Ich bin kein schlechter Mensch“, sagt er oft. Man will es ihm fast glauben.

Woran hakt's?

Einige erzählerische Lücken bleiben offen, Kommissarin Brandt sieht neben Borowski gar farblos aus. Ansonsten ist „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ ein gelungenes Sequel, das gerne weiter fortgesetzt werden kann. Diesen Mörder möchte man wieder sehen.

ORF 2 zeigt „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ am Sonntag um 20.15. Ursprünglich hätte zu diesem Termin der zweite Teil eines "Tatort" mit Til Schweiger gesendet werden sollen, in dem es um einen terroristischen Angriff geht. Aus Respekt vor den Opfern der Anschläge in Paris wurde der Zweiteiler verschoben, er soll nun Anfang Jänner gezeigt werden.

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