"Tatort" Dresden: Lederhosen und zähe Frauen

Tatort: Auf einen Schlag
Tatort: Auf einen Schlag(c) MDR/Andreas Wünschirs
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Erstmals seit 1999 wird wieder in Dresden ermittelt, erstmals zeigt ein "Tatort" zwei Kommissarinnen. Ein krampfthaft moderner Fall im altbackenen Schlagermilieu.

Unsere Wertung für diese "Tatort":

1 von 5 Punkten.

Worum geht's?

Der erste leblose Körper in "Auf einen Schlag" ist keine Leiche, der blonden Sängerin im Dirndl jagt der fast zur Bewusstlosigkeit besoffene Typ unter dem falschen Laubhaufen auf ihrer Bühne dennoch solch einen Schrecken ein, dass sie ihre Probe abbricht (das Playback läuft natürlich munter weiter). Hinter der Bühne muss sie an noch einer Schnapsleiche vorbei, bis sie endlich den Toten dieser Folge entdeckt: Der Schlagerstar Toni, Teil des Szene-berühmten Sängerpaars Toni & Tina wurde ermordet. Wer würde so etwas tun? Ein enttäuschter Fan? Ein neidischer Newcomer im Schlagerfach? Der altgediente Manager, der um seine letzte Cashcow bangt? Oder der schmierige Jungmanager, der nicht nur in saubere Geschäfte verwickelt ist?

Worum geht's wirklich?

Zum ersten Mal seit 1999 wird wieder in Dresden ermittelt. Heute ist Sachsens Hauptstadt vor allem in Zusammenhang mit Fremdenfeindlichkeit und der dort entstandenen Protestbewegung Pegida in den Medien. Während sich der Dresdner „Tatort“ (noch?) nicht an die großen gesellschaftlichen Fragen herantraut und lieber im altbackenen Schlagermilieu herumrührt, finden die Ängste eines verunsicherten Volkes über Umwege – und auf leider ziemlich platte Art – in die Geschichte. Wiederkehrendes Motiv ist die Angst vor allem „Neuen“: Da wird den guten alten Zeiten vor der Erfindung des „Volks-Rock'n'Roll“ nachgetrauert, junge Lederhosenbubis verachten Homosexualität und der stocksteife, latent rassistische Kommissariatsleiter mokiert sich über „moderne“ Phänomene wie Starbucks-Kaffee und „dieses blöde Internet“ (sic!).

Wer ermittelt?

Zwei Frauen versuchen, den Schlagermörder zu finden: Die Oberkommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski), die eine etwas einfühlsamer und Partnerin eines erfolglosen Freiberuflers mit Kinderwunsch, die andere knallhart und alleinerziehende Mutter eines Sohnes, der seine Lehrerin mit gewaltverherrlichenden Raptexten aus der Fassung bringt. Unterstützt werden sie von einer jungen Polizeianwärterin; Jella Haase, bekannt als Chantal in „Fack ju Göhte“, gibt die eifrige, aber tollpatschige Anfängerin, die es mit naiver Beharrlichkeit schafft, bei den Ermittlungen ernst genommen zu werden und dem Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach), der wohl als Konstrastmittel zur fortschrittlichen Frauenriege fungieren soll, schließlich sogar Sachen wie einen „Venti Cinnamon Latte“ schmackhaft macht.

Tatort: Auf einen Schlag
Tatort: Auf einen Schlag(c) MDR/Andreas Wünschirs

Was gefällt?

Die trockene Art, mit der das Schlageruniversum zur überbewerteten Lappalie erklärt wird. Da erzählt etwa der Manager, der erschlagene Sänger habe an einer Biografie mit gefährlichen Enthüllungen gearbeitet, und die Kommissarin Gorniak antwortet: „Was gibt’s denn in ihrer Branche auszupacken? Florian Silbereisen ist batteriebetrieben?“ Das gehört aber auch schon zu den Höhepunkten des Drehbuchs von „Stromberg“-Erfinder Ralf Husmann, der laut eigener Aussage wirklich versucht hat, einen lustigen „Tatort“ zu schreiben.

Woran hakt's?

Davon abgesehen, dass der Fall trotz unruhiger Schnitte nicht in Fahrt kommt (er vermag weder die falsche Heiterkeit der Schlagerwelt, noch die Brutalität des Verbrechens einzufangen), hat der Dresdner „Tatort“ einen Konstruktionsfehler: Er versucht krampfhaft, mit der Zeit zu gehen – und sieht dabei furchtbar altmodisch aus. Schön, dass erstmals ein rein weibliches Team die Ermittlungsarbeit in einem „Tatort“ übernimmt, aber müssen die Kommissarinnen dann in jedem Satz darauf hinweisen, dass sie gerade dabei sind, sich in einer von Männern dominierten Welt durchzusetzen? „Ach so, Männer haben Gefühle?“, meint mal eine der Kommissarinnen zur anderen. „Das ist was ganz Neues, so ein Update“, erwidert die andere. Sie geben sich tough, kämpferisch und unnahbar (verkörpern also das Klischee eines männlichen Polizisten), und dabei lassen sie weder Persönlichkeit, noch einen Ansatz von Humor blicken. „Als hier nur Männer waren, wurde mehr gelacht“, meint der Kommissariatsleiter einmal. Es ist ein furchtbar platter Ausspruch. Leider glaubt man ihm.

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