"Tatort" Franken: Wie schwer ein Herz wiegt

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Zweiter Fall für Fabian Hinrichs als "Tatort"-Kommissar: In "Das Recht, sich zu sorgen" ist er dem fast perfekten Mord auf der Spur.

Unsere Wertung

Acht von zehn Punkten.

Worum geht's in "Das Recht, sich zu sorgen"?

Eine junge Frau findet in der Früh die Mutter tot in der Gaststube des elterlichen Wirtshauses. Der Vater ist verschwunden. Hat er seine Frau auf dem Gewissen? Doch die Familientragödie rückt im Verlauf der Handlung mehr und mehr in den Hintergrund: Am Anatomischen Institut findet ein Doktorand durch Zufall heraus, dass bei einem der Präparate der Schädel nicht zu den restlichen Knochen passt. Hauptkommissar Felix Voss und seine Kollegin Paula Ringelhahn sollen daher ganz diskret nachforschen, woher der falsche Schädel kommen könnte und sind bald dem fast perfekten Mord auf der Spur.

Worum geht's noch?

Es geht um Menschen, die verschwinden - und wie schmerzlich das für jene ist, die sie lieben. Die alte Frau, die vor der Polizeistation campiert, weil ihr Sohn verschwunden ist, bildet sich das zwar alles nur ein - aber sie leidet, als wäre ihr Kind wirklich weg. In einem Akt der Nächstenliebe erlöst Kommissarin Ringelhahn die Verzweifelte, indem sie ihr eine erfundene Unfall-Story auftischt - dann kann die vermeintliche Mutter wenigstens um ihren fantasierten Sohn trauern. Parallel dazu gibt es ein kleines Mädchen, dessen Mutter am Anatomischen Institut arbeitet und dessen Vater seit Monaten nicht mehr aufgetaucht ist. Unermüdlich bäckt sie Muffins für Mama, ihren netten Kollegen Ludo - und für ihren Papa. Dass ihre Mutter die für ihn bestimmten Muffins jedes Mal im Biomüll verschwinden lässt, das ahnt die Kleine nicht . . .

Wer ermittelt?

Ist Til Schweiger der Baller-Baller-Mann unter den "Tatort"-Kommissaren und Jan Josef Liefers das Scherzkeks, dann ist Fabian Hinrichs als Felix Voss der stille Denker. Der redet kein Wort zu viel und löst auch in seinem zweiten Fall Probleme am liebsten ganz undramatisch: Als der Mann und mutmaßliche Mörder der Wirtin tagelang bei schwerem Regen verschwunden ist, stellt sich Voss an den Waldrand und ruft: "Ich bin da!" Dann setzt er sich ins Haus und wartet . . . Auch seine Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) ist nicht so abgestumpft wie viele andere Krimi-Kommissare - sie beweist immer wieder Mitgefühl und teilt auch gern ihre Pizza. Zwei sehr feinfühlige Charaktere.

Was gefällt?

Der eigentliche Fall kommt hier erst auf den zweiten Anlauf zum Vorschein. Es ist ein forensisches Rätsel, das nicht so spektakulär daher kommt wie in den Hochglanz-Serien aus Amerika - das dafür mit einer ruhigen Erzählweise und faszinierenden Momenten besticht. Verdacht schöpft ein Student, dem auffällt, dass die Teile des Skelettes nicht zusammen passen - die Wirbelknochen verhalten sich zum Schädel wie ein falsches Puzzlestück. Die Leute am Anatomischen Institut behandeln die Präparate mit Respekt und Interesse. Gemeinsam wird ein Gefäßbaum bestaunt. Einmal bittet Ringelhahn einen der Ärzte, ihr ein entnommenes Herz in die Hand zu legen. Sie ist fasziniert: "Das ist ja richtig schwer!" Was für ein Symbol für diesen Fall, in dem es um die Liebe und Dinge geht, die aus Verzweiflung angerichtet werden.

Wo hakt's?

Warum braucht es hier eigentlich zwei Morde? Jeder einzelne könnte locker eine "Tatort"-Episode füllen. So aber entsteht ganz ohne Not ein erzählerischer Zeitdruck, der dazu führt, dass Wesentliches keinen Platz mehr findet - der Charakter des Vaters der kleinen Muffins-Bäckerin zum Beispiel.

Was noch?

Meist hinterfragen Krimi-Kommissare ihr Schicksal ja nicht ernsthaft - sie ermitteln, auch wenn ihre Beziehungen davon kaputt gehen, sie sich dauerhaft nur von Kaffee aus Pappbechern ernähren und das Geld niemals für so tolle Autos reicht, wie sie die Bösewichte fahren (die Wiener "Tatort"-Kommissarin Bibi Fellner hat ihren Zuhälter-Schlitten von einem zwielichtigen Bekannten geborgt). In diesem "Tatort" gibt es aber einen Aussteiger - gut, es ist nur einer der vielen Männer in den weißen Tatortanzügen. "Des is mei ledsde frängische Dodesfall", erklärt er ungefragt den Kollegen: "Ich geh zu Ärzde ohne Grenze". Sehr sympathisch, diese Franken!

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