"Tatort" Berlin: Unschuldslamm und Teenie-Biest

Tatort: Wir - Ihr - Sie
Tatort: Wir - Ihr - Sie(c) rbb/Frédéric Batier
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In ihrem dritten Fall "Wir - Ihr - Sie" ermitteln Nina Rubin und Robert Karow nach einem Mord im Parkhaus. Düster, erschütternd, verwirrend.

Unsere Wertung:

6,5 von 10

Worum geht's in "Wir - Ihr - Sie"

Eine Frau wird in der Parkgarage eines Einkaufszentrums von einem Geländewagen mit dunklen Scheiben brutal überfahren. Während zunächst die Besitzerin des Fahrzeugs - eine ehemalige Freundin der Toten - unter Verdacht steht, stoßen die Ermittler auch auf ein Freundinnen-Trio, das von den Überwachungskameras in der Garage gefilmt wurde: Drei pubertierende Mädchen, die jede zwischen gespieltem Unschuldslamm und hinterhältigem Teenie-Biest oszillieren.

Worum geht's noch?

Es geht um Kinder, deren Aufmüpfigkeit und Gleichgültigkeit an Gemeingefährdung grenzt - und um Eltern, die keinen Draht zu ihren Sprösslingen haben (und zwar unabhängig von Stand und Gehaltskonto). Das gilt übrigens auch für Kriminalhauptkommissarin Nina Rubin, deren jüngerer Sohn Kaleb sich auf seine Bar-Mizwa vorbereitet: Er ist vom Streit der (getrennt lebenden) Eltern und vom Job seiner Mutter so genervt, dass er sich lieber an die Spielkonsole flüchtet als drei Worte mit ihr zu wechseln. Allerdings erschöpft sich sein Aufbegehren vorerst in verdrehten Augen.

Wer ermittelt?

Das Berliner "Tatort"-Team ermittelt diesmal in seinem erst dritten Fall: Meret Becker ist als Kommissarin Nina Rubin eine emanzipierte Frau, eine abwesende Mutter und eine einsame Seele (wenn ihr alles zu viel wird, dann setzt sie sich die Bluetooth-Kopfhörer auf und tanzt im Wohnzimmer ab, auch Tränen drüfen diesmal sein). An ihrer Seite: Mark Waschke als Robert Karow. Der ist den anderen ziemlich suspekt, seit einer seiner Kollegen bei einer verdeckten Ermittlung ums Leben kam und ihm die Tatwaffe untergejubelt wurde - von einem Typen, den er in einer Bar aufgerissen hatte. Auch das macht diesen "Tatort" irritierend: Schwuler Sex, von Karow mit der eigenen Überwachungskamera aufgenommen (ja, Herr Kommissar filmt im Wohnzimmer mit) - und die Kollegen, die das Beweisstück sichten, glotzen und grölen. Das hilft Karow dann auch nicht weiter. Allerdings verhalten sich auch die Vorgesetzten eigenartig, die kein großes Interesse zu haben scheinen, die Sache aufzuklären.

Was gefällt?

Der Berliner "Tatort" wirkt immer recht düster. Das passt: Dieser Fall ist auch besonders bedrückend. Vor allem, weil sich bis zuletzt kein "Warum" ausmachen lässt - es bleibt ein völlig sinnloser Tod. Keine Eifersucht, keine Rache, kein Wahnsinn, kein Zorn, nur unsinniger Ärger. Der Ton ist rau (auch bei den Kommissaren gehört "Arschloch" zum normalen Vokabular, ein Mädchen nennt sich selber auf Facebook "Fickfehler Paula") - harte Worte in einem harten Fall. Das passt. Die Kamera unterstütz den Eindruck, dass man sich hier auf einem Trip in den Morast der Großstadt befindet - es gibt keine tröstenden Kamera-Schwenks über die Skyline, dafür viel Regen und Nacht. "Wir - Ihr - Sie" zeigt drei emotional verwahrloste junge Menschen. Mädels, die nach außen lieb und nett tun, den Schein wahren, sich aber um keinen scheren. Und trotzdem menschelt es: Bei Rubin flackert immer wieder Mitgefühl auf, weil sie nicht so hart ist wie sie tut - und sie weiß, dass ein solch unterkühltes Verhalten eine Ursache hat.

Wo hakt's?

Rubin schlägt im Verhör eines der Mädchen. Karow nimmt in der Verzweiflung eine Geisel. Das wirkt dann doch ziemlich übertrieben: Wir sind hier schließlich in Berlin und nicht im Wilden Westen - und das ist ein "Tatort", keine Räubersg'schicht! Wirklich anstrengend ist aber die Tatsache, dass mittlerweile über die dritte Episode als Neben-Story Karows Vergangenheit und die Sache mit dem Mord an seinem Kollegen aufgearbeitet wird. Wer sich also nicht mehr haarscharf an die beiden ersten Episoden aus dem März bzw. November 2015 erinnern kann, sollte sich das "Was bisher geschah . . ." auf der "Tatort"-Seite der ARD nachlesen - sonst steigt man hier schnell aus. Eine "Tatort"-Episode sollte aber in sich funktionieren - für das unnötige Verwirrspiel (da hätte man sich etwas Selbsterklärenderes überlegen können) gibt es Punkteabzug! Schade, denn schauspielerisch ist dieser "Tatort" Top. Ein Lob auch an den Nachwuchs: Emma Drogunova (Paula), Cosima Henman (Louisa) und Valeria Eisenbart (Charlotte) sind ein überzeugend diabolisches Freundinnen-Trio!

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