"Tatort": Biblische Plagen und "Sterbetourismus"

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Im Luzern-"Tatort" wird ein heikles Thema abgehandelt: Sterbehilfe. "Freitod" geht unter die Haut - und fällt kein moralisches Urteil. Sonntag, 18.9., im ORF.

Unsere Wertung

7 von 10

Worum geht's?

In einem fast leeren Gebäudekomplex in Luzern geht der Verein "Transitus" seiner Aufgabe nach: Er verhilft unheilbar Kranken zum Freitod - sie kommen sogar aus dem Ausland, auch aus Deutschland und Österreich. Vor dem Haus stoßen die Sterbehelfer stets auf ein Grüppchen Demonstranten von "Pro Vita" - einmal auch auf einen scheinbar verwirrten Mann: Martin Aichinger. Seine Mutter ist mit "Transitus" in den Tod gegangen - und er wünscht den Verantwortlichen die biblischen Plagen an den Hals. Als kurz darauf eine Sterbebegleiterin ermordet aufgefunden wird, steht er ganz oben auf der Liste der Verdächtigen.

Worum geht's noch?

Jeder hier meint, moralisch im Recht zu sein: Diejenigen, die Menschen auf deren ausdrücklichen Wunsch von ihren Leiden erlösen. Und die, die sowohl die Sterbehelfer als auch jene, die sterben wollen, dafür verurteilen. Es geht um (religiöse) Doppelmoral und die Frage, ab wann das Helfen zum Syndrom wird, vor dem man sich mehr fürchten muss als vor dem schlimmsten Krebsleiden.

Wer ermittelt?

Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) sind zwei unaufgeregte, besonnene Ermittler. Sie stellen sich in diesem moralischen Dilemma auf keine Seite - denn Gute und Böse gibt es da wie dort.

Was gefällt?

Das Thema ist heikel, die Story wird mit viel psychologischem Touch erzählt. Das funktioniert Dank hervorragender Schauspieler. Martin Aichingers bipolare Störung lässt ihn immer wieder aufbrausen (beeindruckend: Martin Butzke). Josef Thommen (Martin Rapold) ist ein herablassender religiöser Hardliner, der nicht davor zurückschreckt, von seiner Geliebten eine Abtreibung zu verlangen. Und Nadine Camenisch (Anna Schinz) gibt die liebe Krankenschwester - fast zu nett, um wahr zu sein.

Wo hakt's?

Das Ganze verbreitet dann doch eine ziemlich depressive Stimmung, weil einem ganz von selbst ernsthafte Zwischenfragen zum Thema Sterbehilfe in den Sinn kommen. Ein bisschen mehr Dynamik im Tandem Flückiger-Ritschard wär auch nicht schlecht - man hat fast das Gefühl, die beiden langweilen sich schon während ihres elften Falls. Der letzte Dreh, den die Mordsache dann kriegt - der Todesengel hat keine Flügel, weshalb man ihn auch lange nicht erkennt - vereitelt aber den Ich-hab's-ja-gewusst-Effekt. Ein solider Krimi also.

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