"Tatort": Die Läuterung des Professor Boerne

"Tatort: Feierstunde"
"Tatort: Feierstunde"WDR/Wolfgang Ennenbach
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Am "Tatort" in Münster muss der hochmütige Professor Boerne diesmal um sein Leben kämpfen - und erfährt wahre Freundschaft.

Unsere Wertung

8 von 10 Punkten

Worum geht's in "Feierstunde"?

Eine Frau sitzt tot im Rollstuhl. Hat sich die unheilbar an einer Muskellähmung Erkrankte selbst mit einer Pumpgun ins Gesicht geschossen? Oder hat sie ihr Mann ermordet, der kurz nach dem Schuss eilig das Haus verlassen hat? Während Kommissar Thiel davon überzeugt ist, dass der Ehemann, ein Wissenschaftler, etwas mit der Sache zu tun hat, ist dieser in Gedanken schon ganz woanders: Er sinnt nach Rache an seinem Kollegen, Professor Boerne: "Ich will ihn krepieren sehen!", gesteht Witwer Götz seiner Therapeutin. Kurz darauf taucht er - uneingeladen - auf einer Feier auf, bei der Boerne zelebriert, dass er drei Millionen Euro für ein Mumien-Forschungsprojekt bekommt. Als Boerne erkennt, dass Götz eine Waffe trägt, ist es bereits zu spät . . .

Wer ermittelt?

Der selbstgefällige Professor Boerne (Jan Josef Liefers) ist diesmal nur kurz ist Aktion, weil ihn Götz im Zuge seines Amoklaufs außer Gefecht setzt. Kommissar Thiel (Axel Prahl) lässt sich anfangs von Psychologin Corinna Adam (Oda Thormeyer) den Kopf verdrehen - wie ein Spürhund riecht er aber irgendwann, dass da etwas faul ist. Boernes kleinwüchsige Kollegin Silke Haller (ChrisTine Urspruch), die er (in Anlehnung an einen Zwergen- oder Elfenkönig in der germanische Mythologie) despektierlich "Alberich" nennt, erweist sich - gemeinsam mit Thiel - einmal mehr als ebenso schlaue wie treue Gefährtin des Großmauls Boerne.

Worum geht's noch?

Es geht um echte, selbstlose Freundschaft, die durch nichts zu erschüttern ist. Es geht um karrieregeile Kollegen, die Boerne lieber tot als erfolgreich sehen wollen. Es geht um den selbstgefälligen Professor, der wenige echte Freunde hat (neben Thiel und "Alberich" vielleicht noch Staatsanwältin Klemm) und diesmal am psychischen Tiefpunkt anlangt: "Ich verspreche, wenn ich lebend hier rauskomme, werde ich ein besserer Mensch!" Eine Zwangs-Läuterung quasi, wie ein Stoßgebet in höchster Not: Man weiß nicht so recht, wie ernst solche Versprechen gemeint sind.

Was gefällt?

Nein, man findet nicht, dass es Professor Boerne recht geschieht. Er ist in seinem Hochmut doch immer irgendwie sympathisch, wahrt sogar in einer schlimmen Krise die Contenance und ist ganz tief in seinem Herzen ein Mann, auf den seine Freunde (ja, das sind die Kollegen: Freunde, auch wenn man per "Sie" ist) zählen können. Zwar ist dieser Münster-"Tatort" dramatischer als sonst (Regie und Schnitt sorgen dafür, dass man mehr als einmal den Atem anhält), aber den bekannten Charakteren wohnt dennoch die gewohnte Leichtigkeit inne. Dass das Ehepaar Götz eine verbotene Pumpgun im Internet bestellt hat, kommentiert Thiele sarkastisch: "Pumpgun - die Waffe für Blutbilder aller Art." Man darf ihm das verzeihen, nachdem er die Tote gesehen hatte - sie hatte kein Gesicht mehr.

Wo hakt's?

Über den Realitätssinn der Autoren sollte man sich bei Krimireihen besser keine Gedanken machen - Fiktion ist Fiktion und darf auch in Sachen Eskalation mehr oder weniger alles. Bleibt die Anmerkung, dass es doch irritierend ist, dass in diesem Fall der Täter erst den gnadenlosen, gefühllosen Rächer spielt und dann doch noch zur Besinnung kommt. Als wollte er sagen: Wer ist hier verrückt? Das zeigt sich erst zum Schluss. Spannend!

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