"Tatort" Frankfurt: Wisteria Lane für Hundekiller

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Mord ohne Leiche? Janneke und Brix ermitteln in "Tatort: Wendehammer". Ein seltsamer Fall voll Paranoia, Canophobie und schrecklichen Nachbarn.

Unsere Wertung für diesen "Tatort":

8,5 von 10 Punkten.

Worum geht's in "Wendehammer"?

Dieser "Wendehammer" ist ein Kreisverkehr am Ende einer Sackgasse - mit Anrainern, die man lieber nicht als Nachbarn haben möchte. Die einen sind spießig und tragen die Nase zu hoch oben, der andere hat sein Haus in einen Hochsicherheitstrakt umgebaut. Samt Elektrozaun. Wenn sich ein Lebewesen auf das Areal verirrt, dann macht Nils Engels, ein IT-Experte mit offensichtlichem Psycho-Knacks, es platt (die Schildkröte des Nachbarbuben) oder friert es ein (eine der Katzen hinterließ noch Kratzspuren in der Tiefkühltruhe).

Worum geht's noch?

Es geht um Misstrauen und darum, dass jemand, der sich nicht nach der Norm verhält, von seinem Umfeld noch weiter ins Abseits gedrängt wird. In dieser Frankfurter Schmalspur-Variante der Wisteria Lane beäugt man einander hinterm Fenster, richtet die anderen aus oder bläst das eben aufgesaugte Laub über die Mauer zum Nachbarn. Als ein Anrainer verschwindet, sind sich die anderen schnell einig, dass Engels den armen Mann umgebracht haben muss. Doch von der Leiche fehlt jede Spur ...

Wer ermittelt?

Hauptkommissarin Anna Janneke (Margarita Broich) wirkt manchmal ein bisschen gedankenverloren - hat aber als ehemalige Polizeipsychologin ein untrügliches Gespür dafür, wenn irgendwas nicht stimmt. Sie tut immer recht tough, ist aber doch zart besaitet: Das Auge des Toten in einer Nierenschale erschreckt sie dermaßen, dass das Beweisstück quer durch die Pathologie fliegt. Ihr Kollege Paul Brix (Wolfram Koch) weiß, wann er laut werden oder einen in den Schwitzkasten nehmen muss. Auch er wirkt manchmal ein bisschen verloren, hat in der transsexuellen Fanny (Zazie de Paris), bei der er wohnt, aber eine treue Freundin gefunden. Hin und wieder wirft Brix verstohlene Blicke auf Janneke. Wenn grad nichts zu tun ist, spitzt er seine Bleistifte als könnte er mit so einem Stift den Täter feststecken wie ein Insektenforscher seine Beute.

Was gefällt?

A propos Insekten: Tiere spielen in "Wendehammer" eine große Rolle, indem sie die verschiedenen Charaktere unterstreichen. Brix befreit eine erschöpfte Hummel, die sich auf seinen Schreibtisch verirrt hat (ein Softie). Die Opernsänger-Nachbarin verhätschelt ihre Möpse als wären sie ihr ergebene Kinder (eine selbstsüchtige Diva). Nils (Jan Krauter) leidet an Canophobie: Er hat panische Angst vor Hunden (zumindest so lange, bis sie in seiner Tiefkühltruhe liegen) und eine ausgeprägte Paranoia dazu. Aber die ist vielleicht doch nicht so unbegründet, wie die Kommissare zunächst meinen: Auf einem Pfosten vis-à-vis lässt sich immer wieder eine Schneeeule nieder - dann sieht man von ihrer Perspektive aus direkt in Nils argwöhnisches Gesicht. Beobachtet ihn das Tier? Und: Hat das etwas mit seiner Hight-Tech-Entwicklung zu tun, für die sich auch eine US-Internet-Firma interessiert? Dieser Fall ist weitaus kniffliger als es den Anschein hat - und keine Null-acht-fünfzehn-Serien-Story.

Wo hakt's?

Eigentlich nur bei Kleinigkeiten: Kein hochbegabter Computer-Super-Spezialist bewahrt einen Sicherheitscode auf einem schlecht versteckten Zettel auf. Und ob einer im Hobby-Keller tatsächlich einen Computer-Virus züchten kann, der alle Stromnetze und Computer im Land lahm legt? Hoffentlich nicht! In sich ist die Story aber schlüssig und psychologisch interessant. Das Ende jedenfalls ist hier nicht so leicht vorauszusehen. Gut so!

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