"Wir können Sie leider nicht mehr verbrennen"

(c) ORF (Christian Hartmann)
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Der ORF zeigt Montagabend zu Allerheiligen um 20.15 Uhr (ORF2) das packende, kitschfreie Historiendrama „Hebamme – Auf Leben und Tod“. Die Hauptfigur Rosa Koelbl wird hervorragend von Brigitte Hobmeier gespielt.

Erst vor wenigen Wochen waren sie wieder Thema, die Hebammen. Die 35 Gebärhelferinnen des Wiener AKH wandten sich mit einem Brief an die Spitalsleitung, in dem sie über chronische Überbelastung, Personalmangel und sogar hygienische Mängel klagten. Somit hat der Film, den der ORF zu Allerheiligen um 20.15 Uhr (ORF2) zeigt, leider ungewollte Aktualität. Auch wenn die Medizin in diesem Sektor in den vergangenen zwei Jahrhunderten natürlich regelrechte Quantensprünge gemacht hat.


Tirol vor 200 Jahren. In einem Tiroler Bergdorf im Jahr 1813 spielt der Film „Hebamme – Auf Leben und Tod“. Die Hauptfigur Rosa Koelbl – hervorragend gespielt von Brigitte Hobmeier – ist eine fortschrittliche und einfühlsame Hebamme. Eine, die mitunter ein paar Nächte die Bettstatt ihrer Kundinnen teilt, damit der Ehemann nicht bereits in der Nacht nach der schweren Geburt seine sexuellen Bedürfnisse stillt. Noch mehr auf der Hut als vor den Männern muss die Hebamme vor den kirchlichen Würdenträgern sein. Die Taufspritze zählte damals zu den wichtigsten Instrumenten einer Hebamme: In ihr befand sich Weihwasser, war der Tod des Kindes absehbar, musste das Ungeborene damit notgetauft werden.

Rosa Koelbl entdeckt mit dem jungen Arzt aus Bayern (Misel Maticevic), der sie an die neu gegründete Gebäranstalt in der Stadt holt, dass die oft verunreinigten Spritzen zum Kindbettfieber und Tod der Wöchnerinnen führen. „Die Figur der Rosa Koelbl hat es nicht gegeben“, erzählt Regisseurin Dagmar Hirtz, die das Drehbuch von Monika Bittl und Peter Probst sehr sensibel und erfreulich authentisch umgesetzt hat. Dennoch ist vieles von Rosas Geschichte historisch belegt oder von anderen Hebammen aufgezeichnet worden. Der Film zeigt nicht nur die hygienischen und medizinischen Schwierigkeiten, die damals bei Geburten auftreten konnten, sondern auch den Kampf einer gebildeten Frau zwischen Religion und Medizin. Die katholische Kirche ist bereit, in Gottes Namen Kinder und Mütter in Gefahr zu bringen. Und die aufgeklärte Medizin der damaligen Zeit, verkörpert durch den ehrgeizigen Medicus, sieht die gebärenden Frauen als Versuchsobjekte für neuartige Operationen wie den Kaiserschnitt. Als bei einem solchen ein junges Mädchen stirbt, zeigt Rosa Koelbl den Arzt an. Sein Chef sagt darauf trocken: „Wir können eine wie Sie ja leider nicht mehr als Hexe verbrennen.“ Hebammen waren einst die am stärksten von der Hexenverbrennung betroffene Berufsgruppe.


Nicht einmal ein Happy End.
Auch wenn sich noch eine zarte Romanze zwischen Rosa und Medicus entspinnt, bleibt der Film bis zuletzt angenehm unkitschig. Das liegt großteils an Ausstattung und Kulisse (die Innenaufnahmen wurden im Bauernhöfemuseum in Kramsach, Tirol, gedreht), aber auch großartigen Schauspielern (Pipa Galli, Maria Hofstätter). Hier gibt es keinen Weichzeichner – nicht einmal ein Happy End.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2010)

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