Sherlock Holmes trägt jetzt Nikotinpflaster

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Er schreibt SMS und die Scotland-Yard-Mitarbeiter nennen ihn "Freak": Arthur Conan Doyles Detektiv ist im 21. Jahrhundert angekommen. Ab Sonntag zeigt der ORF die geniale BBC-Adaption "Sherlock".

Seine erste Szene zeigt Sherlock Holmes in der Leichenhalle. Mit einer Reitergerte drischt er auf einen Toten ein - ein Experiment ganz im Zeichen der Verbrechensbekämpfung, versteht sich. Willkommen bei "Sherlock", der genialen BBC-Adaption, die Arthur Conan Doyles Klassiker ins 21. Jahrhundert katapultiert. Darin ist Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) ein arrogantes Genie, ein Suchtmensch, der sein Gegenüber in Sekundenbruchteilen durchschaut und mit Gefühlsregungen schnell überfordert ist. Er schreibt SMS, schneller als viele sprechen können (wenn er sie denn selber schreibt) und spricht so schnell, dass einem fast schwindlig wird. Kein Wunder, dass ihn die Beamten von Scotland Yard, die den selbsternannten "Consulting Detective" nur widerwillig hinzuziehen, "Freak" und "Psychopath" nennen. Er selbst will sich als "hochfunktionaler Soziopath" verstanden wissen, wie er selbst in der Pilotfolge "Ein Fall von Pink" (A Study in Pink) sagt. Statt Pfeifen nimmt er Nikotinpflaster, der siebenprozentigen Kokain-Lösung in Conan Donyles Vorlage hat er abgeschworen. "Clean" sagt man heute.

Nicht minder modern ist sein Konterpart Dr. John Watson (Peter Jacksons "Hobbit" Martin Freeman) ein einsamer Afghanistan-Veteran mit posttraumatischer Belastungsstörung. Die hohen Mietpreise in London führen die beiden zusammen (natürlich in die 221B Baker Street). Gemeinsam rasen sie durch London auf Verbrecherjagd, im Bild poppen SMS-Nachrichten auf und statt eines Tagebuchs führt Dr. Watson einen Blog.

Aber "Sherlock" zeigt sich nicht nur modernisiert, sondern bezieht sich auch stark aufs Original. Fans werden viele Anspielungen auf die Bücher finden. So ist Watson auch dort von einem Einsatz am Hindukusch heimgekehrt, allerdings diente er im Zweiten Anglo-Afghanischen Krieg (1878 -1880). "Eine Studie in Scharlachrot" ist jetzt "Eine Studie in Pink", statt einem Drei-Pfeifen-Problem löst Holmes ein Drei-Nikotinpflaster-Problem.

Überraschend und überraschend lustig

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Die Autoren Steven Moffat und Mark Gatiss (der als Sherlocks Bruder Mycroft Holmes selbst eine kleine Rolle hat) haben ganz Arbeit geleistet, sie spielen mit Plot-Twists und ihre Mono- und Dialoge weisen nicht nur atemberaubendes Tempo auf, sondern sind auch punktgenau. "Ein Serienmörder! Wie ich die liebe, da kann man sich immer auf etwas freuen!" stößt Holmes einmal aus. Die präzise Klinge zeigt sich auch in der Interaktion zwischen Holmes und Watson, die zwischen homoerotischer Spannung und Buddy-Movie liegt.

In Großbritannien löste die Serie einen regelrechten Hype aus: Die BBC erzielte mit der ersten Staffel eine Reichweite von fast 30 Prozent und verkaufte das Format in mehr als 180 Länder. Schmal geschnittene Mäntel und selbst Teeservices im "Sherlock"-Style gehen weg wie warme Semmeln. Ein Teil des Erfolges ist auch der immensen Leistung der Hauptdarsteller Cumberbatch und Freeman zu verdanken, beide sind konsequenterweise für den britischen TV-Preis Bafta nominiert.

Das Wort "Serie" stößt hier indes an seine Grenzen. Denn es handelt sich um zwei Staffeln zu je drei 90-minütigen Folgen. Also sechs Mal Spielfilmlänge. Fast ein Jahr nach der deutschen Erstausstrahlung von Staffel eins in der ARD zeigt der ORF "Sherlock" nun: "Eine Studie in Pink" macht am 29. April um 22:05 Uhr den Anfang. Die zweite wird ab 17. Mai zu sehen sein. Auf Staffel drei wird man eine Weile warten müssen, denn sowohl Cumberbatch als auch Freeman sind derzeit vielbeschäftigt in Hollywood. Die Dreharbeiten sind für Anfang 2013 angesetzt. Um die Wartezeit zu überbrücken sei "Sherlock" auf englisch zu empfehlen: Das störende "Sie" fällt weg und "obviously" klingt einfach so viel besser als "offenbar".

"Sherlock" im ORF: ab Sonntag, 29. April, um 22:05 Uhr

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