Verlassen, verlassen: Handkes Heimat

Verlassen verlassen Handkes Heimat
Verlassen verlassen Handkes Heimat(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Bernd Liepold-Mosser auf den Spuren von Peter Handke: eine gelungene Doku über einen Ort, in dem Slowenisch noch immer peinlich scheint. Derzeit im Kino.

„,Verlassen, verlassen, / wie ein Stein auf der Straßen / so verlassen bin ich‘, mit der narrensicher imitierten Melancholie dieses künstlichen Heimatliedes steuerte sie ihren Teil zur allgemeinen und auch eigenen Lustbarkeit bei...“ So beschrieb Peter Handke 1972 in „Wunschloses Unglück“ die Phase seiner Mutter, in der „sich alles Persönliche ins Typische verlor“.

Bernd Liepold-Mosser setzt ebendieses Lied als Leitmotiv ein für seine Dokumentation über Griffen, den Geburtsort von Peter Handke, jenem Dichter, dem sein Biograf Malte Hedwig attestierte: „Arm von Geburt, wird er durch seinen Weltekel geadelt.“ Das sind starke Worte, doch Handke selbst nannte Österreich einmal „das Fette, an dem ich würge“. Ebenfalls im „Gewicht der Welt“ schrieb er: „Ich habe keine Heimat. Meine Heimat sind diese Bücher.“ Liepold-Mosser stellt das seinem Film als Motto voran; und ja, nach dieser 80-minütigen Reise durch Griffen und Umgebung versteht man wieder einmal, wie fremd man sich in der Heimat fühlen kann, wie fremd sich Handke dort fühlte, und wie fremd er seinen Landsleuten werden musste, um nicht seelisch zu ersticken.

„Spinner“, „totaler Außenseiter“

Handke sei „eine Sehenswürdigkeit Griffens“, sagt ein Schulbub brav. Erwachsene nennen ihn „Spinner“, „eigenartig“, „totaler Außenseiter“, „zu radikal“; er habe „keine Freunde, nix“ gehabt, sei ein Einzelgänger gewesen. An das störende Klimpern der Schreibmaschine unterm Nussbaum erinnert man sich gerade. Es sei komisch, was dieser Handke „da so z'sammg'schrieben“ habe, was in „Wunschloses Unglück“ stehe, stimme nicht; und wie könne einer, der nie Fußball gespielt habe, denn einen Roman namens „Die Angst des Tormanns vor dem Elfmeter“ schreiben?

Aber vor allem eines stört bis heute offenbar viele Griffener: dass Peter Handke „zuvü für die untere Seiten“ übriggehabt hätte, wie ein Interviewter sagt. Ein anderer drückt es klarer aus: Handke sei schon „sehr slowenisch geneigt“. Auch das macht diese ruhige, aber intensive Dokumentation bewusst: wie kräftig das Slowenische, das „Windische“ in Griffen (ehemals Windisch-Griffen) verdrängt wurde und wird; wie peinlich es vielen Kärntnern bis heute ist, dass Verwandte Slowenisch geredet haben oder gar reden. Handke selbst hat sich ja erst spät offensiv zu seinen slowenischen Wurzeln bekannt, zuletzt in „Immer noch Sturm“.

Aber auch das hat kaum wer gelesen oder gesehen in Griffen. Sogar Handkes Bruder erklärt ja fast stolz, er habe „nit a Buach“ gelesen, des sei „vü zu schwer für mi“, er brauche „Tschin-Bumm“.

Seltsam berührend sind die Passagen, in denen von Heimatbesuchen Peter Handkes die Rede ist, von Schnapsen, Schwammerln, Schule: Es muss eine seltsame Heimkehr sein, eine Heimkehr in eine Fremde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2012)

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