Neue Dramen aus den USA – amüsant, gehaltvoll

Neue Dramen ndash amuesant
Neue Dramen ndash amuesant(c) EPA (David Ebener)
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Ein feines Ensemble macht im Schauspielhaus aus einer szenischen Lesung einen vollwertigen Theaterabend.

„Ich komme von einem Begräbnis“, sagt die alte Frau. Das letzte Mitglied aus ihrem Klub der Achtzigjährigen ist gestorben. Sie selbst ist 91. Ihr Enkel lebt seit Kurzem bei ihr in Greenwich Village. 4000 Meilen weit ist er geradelt, so heißt auch das Stück von Amy Herzog. Die Oma, eine Kommunistin, und der junge Mann, ein New-Age-Hippie, nähern sich einander an...

Nach der französischen Nacht im Wiener Schauspielhaus gab es Freitag eine amerikanische, nur einmal, bedauerlich angesichts des Aufwandes und der Qualität der Texte. Hierzulande hängt man immer noch zu sehr bei Tennessee Williams oder Eugene O'Neill fest, es gibt Aktuelleres. Im besten Sinne nah am Zeitgeist sind diese Dramen, die Sebastian Schug eingerichtet hat. Aus Ausschnitten, szenischen Miniaturen, einer Lesung erwächst ein rundum gelungener Theaterabend. Politisch am interessantesten ist das erste Stück: „Disgraced“ von Ayad Akhtar. Der New Yorker Wirtschaftsanwalt Amir Kapoor, Sohn pakistanischer Eltern, US-Bürger, Mitglied einer Sozietät jüdischer Advokaten, wird von seinem muslimischen Neffen und seiner Frau, einer weißen Amerikanerin und Malerin, überzeugt, dass er sich für einen wegen der Förderung von Terrorismus angeklagten Imam einsetzen soll. Das wirkt sich fatal auf Amirs Ruf aus. In wenigen Szenen entsteht skizzenhaft, doch glasklar ein katastrophales Dilemma, das an die packenden US-Gesellschaftspanoramen von Tom Wolfe („Fegefeuer der Eitelkeiten“) erinnert...

„The Aliens“ heißt das zweite Stück von Annie Baker. Die Außerirdischen kommen nicht aus dem Weltall, es sind zwei Beckett'sche Gestalten in einem Hinterhof, die sich ihren Träumen vom Künstlerdasein hingeben und den Kellner eines Lokals ärgern, der aber auch immer mehr fasziniert ist von dem Treiben der beiden Taugenichtse.


Mehr Internationalität wäre gefragt. In „Maple and Wine“ von Jordan Harrison geht es um eine „Gesellschaft zur Dynamisierung des Überkommenen“, genauer um eine Gated Community, die wie eine Sekte ihren Mitgliedern ein Leben wie in den Fünfzigerjahren aufzwingt, auch einem Paar, das seinem Alltag entfliehen will.

„Ein junges Land, besessen von Jugendlichkeit“ seien die USA, schreibt die Regisseurin und Produzentin Gillian Drake im Programm. Die Menschen rasen vorwärts, kommen aber von der Vergangenheit nicht los. Das sei das Thema dieser Dramen – die vom Ensemble mit köstlicher Präzision gestaltet werden. Insbesondere der schon im „Seidenen Schuh“ fabelhafte Thiemo Strutzenberger brilliert – als Anwalt, der nicht nur seine Karriere, sondern auch sein rationales Lebensmodell bedroht sieht, als den Magic Mushrooms ergebener Träumer, als Omas würdig-eigenwilliger Enkel und als Arzt, der nicht sicher ist, ob er den Wahnsinn der Klinik mit dem Wahnsinn einer Sekte tauschen soll. Aber auch die anderen Schauspieler sind blendend: Angela Ascher, Steffen Höld, Barbara Horvath und die hier besonders charismatische Johanna Tomek.

Wiens Theater könnten internationaler sein. Hans Gratzer (1941–2005) stellte im Schauspielhaus 1996 Tony Kushners höchst originelle „Angels in America“ vor. Kushner ist auch Spielbergs Drehbuchautor („Lincoln“). In Amerika ist so etwas kein Widerspruch. Das Volkstheater zeigt ab 15. 2. ein neues Kushner-Stück. Immerhin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2013)

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