Ronacher: Diese Frauen haben echte Power

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Die Musicalfassung von „Natürlich blond“ kann mit dem Film durchaus mithalten. Barbara Obermeier gefällt als coole Karrierefrau. Die Musik ist einfallslos.

Die Welle der Castingshows rollte an, jeder Jugendliche wollte ein Popstar sein. Angesichts blühender Illusionen von schnellem Ruhm und Geld wirkte der auf den ersten Blick lächerliche Film „Natural Blonde“ (2001) geradezu wie Labsal: Ein hübsches Partygirl aus Malibu, das alles hat, folgt aus Liebe dem Freund, der sie hat sitzen lassen, um Karriere zu machen, nach Harvard. Sie hat Erfolg und wird Anwältin, dank Grips, Intuition und eines guten Herzens. Zu schön, um wahr zu sein.

Die kreischenden Mädchen zu Beginn täuschen. Es handelt sich hier nicht nur um herziges Regenbogen-Entertainment für Teenies, sondern auch um eine Satire: Ein gnadenloses Ausbildungssystem wird aufs Korn genommen und die Jagd nach Alphatieren und Beutemännern. Du musst das Beste und den Besten, die Beste kriegen. Die Ehe ist Teil des Erfolgs. Warner HuntingtonIII., Spross einer Dynastie à la Kennedy, Bush & Co., muss sich, wie es im Stück heißt, beizeiten nach einer „Jackie“ umsehen, die ihn „pusht“. Der munteren Blondine Elle Woods wird das nicht zugetraut.

Doch ihr Name ist Programm: eine Elle zwar, aber aus hartem Holz geschnitzt. Reese Witherspoon, die im Film die Hauptrolle spielte, nahm man das weniger ab als Barbara Obermeier in der Musicalfassung, die seit Donnerstag als deutschsprachige Erstaufführung im Ronacher zu sehen ist. Diese Blondine hat die sprichwörtlichen Haare auf den Zähnen: klein, drahtig, schlagfertig. Die Texte sind mit Gefühl für das Englische und dessen Pointen-Pingpong ins Deutsche übertragen. Insgesamt wirkt das ganze Unternehmen recht erfreulich, wenn auch mit der Akustik vor allem anfangs einiges nicht stimmt: Die Stimmen klingen viel zu schrill.

Die Musik ist einfallslos. Wer täglich mit Pop beschallt wird, weil er einen jungen Erwachsenen im Haus hat, kann sich nur wundern, warum sich die Musicalproduzenten nicht bei diesem an Formen, Melodien überreichen Genre bedienen. Wie wäre es z.B. mit einem Musical von Bruno Mars oder den Songlieferanten von Rihanna, Beyoncé, Pink und Co.? Müssen das immer gleich klingende, wummernde Beats sein?

Alexander Goebel punktet als Anwalt

Getanzt, gesungen, gespielt wird perfekt. Die Choreografie ist erfinderischer als sonst. Hier hat man sich etwas abgeschaut bei der Musicalfilm-Konkurrenz von „High School Musical“ bis „Fame“ oder dem Hip-Hop-Schwarm der Teenies, „Step up“. Der Mann ist heute ein Objekt der Begierde, das war früher vor allem die Frau. Toller Body, Muskeln, attraktiv und eitel bis zum Abwinken: Des Jubelns ist daher kein Ende, wenn sexy Kyle (Daniel Rákász) seine Wadeln zeigt – und Herz hat der Bursche auch noch. Die einmal mehr bezaubernde Anna Milva Gomes – sie spielte die Hauptrolle in „Sister Act“ – als Haar-und Nagelkünstlerin Paulette ist begeistert von dem knackigen Burschen und zeigt am Schluss einen stattlichen Babybauch. Die des Mordes beschuldigte Fitnessqueen (Linda Geider) präsentiert sich als Lady-Gaga-Verschnitt; Hendrik Schall ist als Warner fad. Alexander Goebel punktet als blutgieriger Anwalt, der Praktikantinnen küsst; Jörg Neubauer als sein Assessor profiliert sich im Herren-Concours als Good Guy, Elle zahlt ihm dafür den Designeranzug. Die Damen haben deutlicher die Hosen an als im Film und werden am Ende wohl ihre eigene Sozietät gründen, z.B. Sanne Mieloo als herbe Vivienne, die sich von der Konkurrentin Elles zur solidarischen Freundin wandelt. In all diesen Nuancen weht recht stimmig der Zeitgeist. Die Hunde sind liebreizend.

Am Ende herrschte große Begeisterung samt der üblichen Standing Ovations. Bei den forciert glamourösen Premieren der Wiener Vereinigten Bühnen fragt man sich immer, was Inszenierung, Claque und was echt ist. Diese Aufführung kann sich sehen lassen. Aber wie wird sie sich verkaufen? Die Karten für VBW-Musicals sind teuer, die Konkurrenz ist groß: In der Volksoper, im Volkstheater, in den Kammerspielen gibt es gute Musicals, von Gastspielen abgesehen. 30.000 Karten für „Natürlich blond“ sollen schon weg sein. Das klingt viel, aber bis zu 270.000 müssen angebracht werden, wenn man acht Monate spielen will, was kürzer ist als bei früheren Produktionen. Das wird ein hartes Stück Arbeit – umso mehr, als es hier keinen Wien-Aspekt für die Touristen gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

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