Der Magier Jérôme Savary ist tot

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Der Sohn einer Amerikanerin und eines Franzosen inszenierte gut 300 Stücke. Er starb mit 70 Jahren in Levallois-Perret bei Paris.

Sein Einfallsreichtum war zuletzt in Niederösterreich zu bewundern: Weil der große Regisseur Jérôme Savary, dem alle Bühnen der Welt offenstanden, die Gegend hier, die Leute und auch die Stücke von Ferdinand Raimund mochte, hat er in den vergangenen drei Saisonen dessen zauberhafte Werke inszeniert – für die Bühne Baden und das Landestheater. So konnte man hierzulande bewundern, was ein alter Meister aus „Alpenkönig und Menschenfeind“, „Verschwender“ und „Bauer als Millionär“ machte. Schon vor der letzten Premiere im vergangenen Sommer wusste Savary, dass er den Kampf gegen den Krebs verlieren werde. Es ist bemerkenswert, mit welch morbider Leichtigkeit und profunder Ironie sich der Regisseur dem melancholischen Raimund näherte.

Savary, der 1942 in Buenos Aires geboren wurde, als Sohn eines Schriftstellers und der Tochter eines New Yorker Gouverneurs, war ein Bonvivant, mit Zigarre, Hut und Seidenschal, der auch auf der Bühne Opulenz liebte. Er wuchs bei seiner Mutter in Frankreich auf. Mit 19 ging er nach New York, spielte Trompete in einer Jazzband, lernte Beat-Poeten wie Ginsberg und Kerouac kennen. Er zeichnete Comics, schrieb Foto-Romane, war Chauffeur. So viele Talente, solch vielseitige Produktivität scheinen schier unglaublich. 1965 gründete Savary in Paris seine erste Compagnie, aus der sich dann sein großer magischer Zirkus entwickelte. Dort spielte er meist den Conférencier. Er war eben ein geborener Herr Direktor, leitete folglich große Theater, unter anderem in Languedoc-Roussillon, Lyon, vor allem aber in Paris, etwa das Théâtre National de Chaillot. Er inszenierte für Festspiele (Aufsehen erregte auch seine „Zauberflöte“ in Bregenz 1985), für große Bühnen im deutschsprachigen Raum, darunter das Burgtheater.

Seine farbenprächtigen Operninszenierungen waren an ersten Häusern, u.a. in Mailand, San Francisco, Washington, Tokio, Shanghai, Rom, Madrid und Wien, zu sehen. Bis 2007 leitete er schließlich die Opéra-Comique, danach arbeitete er mit seiner Truppe „La Boîte à Rêves“ in einer früheren Abtei im südfranzösischen Béziers. Von dort aus gingen die letzten Produktionen dieser „Schachtel für Träume“ auf Tournee.

Ein Spektakel, das reine Schaulust weckt

Savary konnte als Regisseur ein Magier sein, der manchmal schockierte, aber auf den Tabubruch an sich war er nicht aus. Der Abend sollte einfach aufregen, musste zumindest auch lustig sein, wenn er nicht sogar in den besten Momenten rein poetisch war. Diese Revuen förderten vor allem die Schaulust, so ergaben sich viele wunderbare Jahre fürs Theater. Der Tod? Ein Jux! Wenn bei diesem Direktor Massaker angesagt waren, dann wurde es ein richtiges Spektakel. Savary sah sich als Gaukler, als Vagant. Was seine wichtigste Botschaft sei, wurde er als junger Regisseur gefragt. Seine simple ehrliche Antwort: „Das Theater ist nicht tot.“ norb [Foto: APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2013)

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