Berlioz' Liebes-Petitesse

(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
  • Drucken

"Béatrice et Bénédict" nach Shakespeare: nicht gerade fesselnd, aber szenisch und musikalisch schön aufbereitet.

Richard Wagner ging sich ja in einer ganz ähnlichen Situation selbst auf den genialen Leim: Als er neben dem riesenhaften „Ring des Nibelungen“ mit einem leicht ausführbaren, populären Werk schnelles Geld machen wollte, wuchs sich der Plan ausgerechnet zu „Tristan und Isolde“ aus. Seinem Rivalen Hector Berlioz hingegen gelang es in einer ganz ähnlichen Situation, nach der Grand opéra „Les Troyens“ tatsächlich eine transparente Petitesse in Sachen Liebe aufs Papier zu werfen – auch wenn sie ein Mauerblümchen der Musikgeschichte bleiben sollte.

Raritätenjäger unter den Opernfreunden dürfen sich jedenfalls freuen: „Béatrice et Bénédict“ ist eine entzückende Kleinigkeit – und dabei ungemein diffizil. Als glühender Shakespeare-Verehrer löste Berlioz als sein eigener Librettist die Geschichte zwischen Beatrice und Benedick aus „Much Ado About Nothing“ aus dem Dramenkontext und verhalf ihr in einer Opéra comique (also mit gesprochenen Dialogen) zu handlungsarmer Selbstständigkeit: Was sich neckt, das liebt sich endlich.

Regisseur Kasper Holten nahm das beim Wort – überwiegend auf wohltuend präzise, wenn auch letztlich etwas brave Weise. In historischen, auf das Ende des 19.Jahrhunderts verweisenden Kostümen (Moritz Junge) inszenierte er eine Hollywood-taugliche Rom-Com, eine romantische Komödie, bei der die vorhersehbare, hier sogar aufreizend lineare Story nichts, das Wie aber alles ist. Französischer Shakespeare mit Merchant-Ivory-Einschlag, gewissermaßen – auch wenn die Dialoge von der internationalen Besetzung nicht immer mit eloquentestem „Accent“ ausgeführt werden.

Quecksilbrige Ouvertüre

Bernard Richter ist da die rühmliche Ausnahme und macht als Bénédict sowohl stimmlich als auch darstellerisch gute, weil elegante und sympathische Figur. Malena Ernman ergänzt ihn als etwas herbe, darstellerisch auch derb komische Beátrice, kann aber deren emotionale Wandlung eindringlich vermitteln. Daneben reüssiert vor allem Christiane Karg als glasklar tönende Héro, die mit Ann-Beth Solvang (Ursule) das lyrische Herzstück der Partitur anstimmen darf. Den von Berlioz hinzugefügten, ungeschickten Kapellmeister Somarone behandelt Holten dagegen als eine Art Fremdarbeiter: Miklós Sebestyén wird gleichsam als Dritter-Akt-Komiker eingesetzt – und bemüht sich in ungarisch gefärbtem Deutsch um einige Pointen. Es Devlins Bühne aber ist es, die den nur wenig mehr als zwei Stunden dauernden und trotzdem nicht allzu kurzen Abend am Laufen hält: Von einem Halbrund mit Galerie eingefasst, ist die Drehbühne fast ständig in Betrieb – und wandelt sich andauernd, vor allem durch eine hochfahrbare Videowand. Neben der Andeutung von Schauplätzen werden da, als Leitmotiv in Großaufnahme, anfangs noch kindlich unbeholfene, dann sichere und schließlich mit der Anmut des Alters schleppende Tanzschritte eines Paares sichtbar: eine poetische Idee (Video: Finn Ross).

Berlioz' Musik funkelt quecksilbrig, wenn die Liebe irrlichtert. (etwa in der Ouvertüre und im Schlussduett), gibt sich graziös und duftig, trumpft dann und wann schneidig auf, witzelt in den Bläserstimmen – und auch abstrus anmutende Instrumentierungsideen funktionieren auf eigentümliche Weise: Wer sonst wäre auf die Idee gekommen, ein Trinklied mit Gitarre, Tamburin, Trompeten, Kornett und auf den Tisch schlagenden Gläsern begleiten zu lassen? Mit Schoenberg Chor und ORF-Radio-Symphonieorchester Wien unter Leo Hussain wird vieles davon deutlich. Dass es nicht recht zündet, liegt an der Partitur selbst: zarte Spinnweben, ungreifbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.