Bregenz: Papageno und Papagena enden im Ei

Bregenz Papageno Papagena enden
Bregenz Papageno Papagena enden(c) APA / Wenzel
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Intendant David Pountney bringt in seiner Deutung der "Zauberflöte" Spektakel, Intimität und die Botschaft von Toleranz und Miteinander auf einen Nenner. Musikalisch bleiben freilich Wünsche offen.

Da nisten sich also Papageno und Papagena zuletzt gemütlich in jenem Ei ein, aus dem die lang ersehnte Gefährtin des hier völlig erfolglosen Vogelfängers kurz zuvor noch geschlüpft ist, verbleiben in der märchenhaften Popart-Naturwelt und winken uns fröhlich zu. Das „hehre“ Paar Pamina und Tamino aber, geläutert und wohl auch kräftig ernüchtert, lässt Mythen und Kulte hinter sich und geht in die reale Welt des Publikums ab: In dieser gibt es schließlich noch viel zu tun im Zeichen des Regenbogens – einem Symbol für die anbrechende tolerantere Zeit, das nun auch auf den weißen Gewändern des Prager Philharmonischen Chores prangt, der die Zuschauerränge bevölkert...

Wegen des etablierten Zweijahresrhythmus der Freiluftproduktionen lieferte David Pountney mit Mozarts „Zauberflöte“ nun seine letzte Seebühnen-Regiearbeit als künstlerischer Leiter der Bregenzer Festspiele: Nach einigem Knirschen im Getriebe des internationalen Intendantenkarussells (die Ära des designierten Nachfolgers, Roland Geyer, endete schon vor ihrem Beginn) amtiert der Engländer nun doch noch bis 2014, dann löst ihn Elisabeth Sobotka ab. Pountneys Abschiedsinszenierung beeindruckt vor allem durch die insgesamt recht klare Botschaft, ja sogar durch eine gewisse Ökonomie der Mittel, die immer wieder intime Szenen erlaubt – und sie wird wohl auch die Kassen füllen.

Gewiss: Verglichen mit einem Verismo-Reißer wie „Andrea Chenier“, der in Bregenz zuletzt nicht so viel Publikumszuspruch fand, wie die Produktion verdient hätte, eignet sich zwar der Inhalt der „Zauberflöte“ für die Seebühne und ihren unabwendbaren Zug zur Monumentalität, weniger jedoch ihre weitaus filigranere Partitur, die hier übrigens (dramaturgisch verständlich, musikalisch aber teils schmerzhaft) gekürzt erklingt. Da heißt es Kompromisse schließen. Etwa zwischen der ganz traditionellen Mozartkultur der Wiener Symphoniker, bei der über die Lautsprecheranlage vor allem die Holzbläser schön zur Geltung kamen – und den nicht immer glückenden Bemühungen des Dirigenten Patrick Summers um ein paar Ecken und Kanten: Einige Auszierungen in den Gesangspartien, vor allem bei Tamino, aber auch, schon weniger überzeugend, bei Papageno, reichen noch nicht zu einer profilierten Deutung. Und auch die Sängerbesetzung lässt manchen Wunsch offen: Sarastro Alfred Reiter klang brüchig und ließ Fülle vermissen, Gisela Stille konnte als Pamina erst allmählich zu stimmlicher Ruhe finden, und bei Ana Durlovskis immerhin recht treffsicherer Königin der Nacht ging so manche Koloratur im Vibrato unter.

Monostatos, das Testosteronmonster

Aber Pountney und seinem Team gelingt es, etliches davon wettzumachen. Er investiert viel Zeit in die Vorgeschichte, will das Beziehungsgeflecht zwischen dem verstorbenen Vater Paminas, dessen Männerbund-Kumpanen Sarastro und der abschätzig behandelten Königin klarmachen: Da bricht schon zur Ouvertüre in dem Moment der Krieg der Geschlechter los, wenn sich der Sargdeckel knarrend schließt – einer von (zu) vielen Soundeffekten des Abends. Monostatos (markant: Martin Koch) ist als satyrhaft notgeiles Testosteronmonster die personifizierte dunkle, unterdrückte Seite des offenbar zölibatären und damit nicht fertigwerdenden Sarastro. Leider wird szenisch nicht unmissverständlich klar, dass den stets schön daherpredigenden, aber frauenfeindlichen Priesterkönig offenbar genau das zum Kranken, schließlich Sterbenden macht – der im letzten Kampf fällt. Aber Pamina und der auf einer Art Forschungsreise befindliche Tamino (Norman Reinhardt klingt ansprechend, bleibt mit stilistisch fragwürdigen Schluchzern jedoch mehr Tenor als Prinz) kehren dem Schlachtfeld der überkommenen, kränkelnden Ideologien zuletzt ja ganz bewusst den Rücken.

Bleibt an der Spitze der guten übrigen Besetzung der „Naturmensch“ Papageno, hier ein Jugendlicher mit Baseballmütze auf der Suche nach dem einfachen Leben: Daniel Schmutzhard gibt ihm mit lockerem Bariton fernab von Wiener Zungenschlag und Schmäh gewissermaßen überregionales, sympathisches Profil.

Johan Engels von diversen Mythen inspiriertes Bühnenbild sowie die Kostüme und die teilweise von mehreren Spielern bewegten, überlebensgroßen Puppen von Marie-Jeanne Lecca (die drei Damen reiten etwa auf urzeitlichen Vogelwesen) sind weniger logisch aus diesem Konzept abgeleitet, sondern speisen sich eher aus persönlicher Fantasie – und können neben diversen Stunts wieder den hohen Schauwert ins Treffen führen, der für das Spiel auf dem See als ebenso typisch wie unerlässlich gilt.

Zuletzt am ideal warmen Premierenabend noch eine kleine Wasserprobe fürs Publikum in Form von Nieselregen: Er hielt den einhelligen Jubel kurz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2013)

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