George B. Shaws briefliche Romanze mit Mrs. Campbell

Dear Liar
Dear Liar(C) Vienna's English Theatre
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In Vienna's English Theatre gibt es zum 50. Jubiläum jenes Stück, das man schon 1963 spielte: „Dear Liar“ von Jerome Kilty.

Kerzenleuchter umrahmen die kleine Bühne des Englischen Theaters in der Josefsgasse, links ein Schreibtisch, rechts ein Tisch mit Schreibpult, im Hintergrund ein großer Monitor in altem Bilderrahmen für die Anweisungen. Diese Szenerie reicht zwei exzellenten Schauspielern, um in zwei Stunden geistvolle Kopfarbeit zu zeigen, die ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Es wird geworben, geschmeichelt, geschmollt und sogar gestritten, immer aber formvollendet, denn die Zweierbeziehung, wiewohl heftig, besteht bloß auf Papier.

Unter der Regie von Tom Littler spielen Moir Leslie und Richard Derrington in „Dear Liar“ eine briefliche Affäre. George Bernard Shaw, ein Gigant der Bühne in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, führte ab 1899 Korrespondenz mit der vor 100 Jahren berühmten Schauspielerin Beatrice Stella Campbell, die er, weil sie verheiratet war, mit Mrs. Patrick Campbell titulierte. Die Briefe hat Jerome Kilty dramatisiert.

Es geht im Dialog um die Liebe, den Krieg, um Eitelkeit, Erfolg und Misserfolg, vor allem aber um die Welt des Theaters. Hier messen sich Wahlverwandte. 1914 hat Mrs. Campbell bei der Uraufführung von „Pygmalion“ Eliza Doolittle gespielt. Die Premiere in London: ein Triumph. Mit Ausbruch des Krieges aber verblasste der Ruhm der Schauspielerin. Die zumindest platonische Affäre des Dramatikers mit der Diva hielt an, bis kurz vor ihrem Tod 1940, selbst nachdem sie eine zweite Ehe eingegangen war. Auch Shaw war verheiratet.

Eine Hommage an die verstorbenen Eltern

Inzwischen ist Shaws Ruhm ebenfalls im Verblühen, doch bei „Dear Liar“ kann man noch immer seine Faszination nachempfinden. Und es gibt zudem einen nostalgischen Grund, die Aufführung in Wien zu besuchen. Bereits 1963 wurde Kiltys Stück von Vienna's English Theatre gegeben, damals noch im Palais Erzherzog Karl. Ruth Brinkmann, die damals mit ihrem Mann Franz Schafranek das Theater gegründet hatte, spielte die Hauptrolle, über viele Jahre, mit Stars wie Anthony Steel, Peter Wyngarde oder John Harwood. Theaterdirektorin Julia Schafranek ehrt nun ihre verstorbenen Eltern mit einem gut gemachten Revival. Diese Komödie hat Witz und Hintersinn. Voller Charme spielt Leslie, zynisch und verliebt zugleich zeigt sich Derrington. Melodisch gehen beide mit der Sprache um – wie in der guten alten Zeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2013)

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