Maria Bill: „Auch falsche Töne machen glücklich“

Maria Bill: „Auch falsche Töne machen glücklich“
Maria Bill: „Auch falsche Töne machen glücklich“(c) Christine Pichler
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Maria Bill freut sich auf eine der kuriosesten Rollen ihrer Karriere: die Millionärin und unmusikalische Sängerin Florence Foster Jenkins.

Maria Bill, seit Jahrzehnten etablierte Chansonnière und Schauspielerin, spielt in „Glorius!“ von Peter Quilter im Volkstheater eine grottenschlechte Sängerin, die Millionärin Florence Foster Jenkins. Jenkins wurde Kult, obwohl sie bei der Arie der Königin der Nacht keinen Ton traf. Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg, von dem sich die Bill nach Jahrzehnten getrennt hat, inszeniert. Ein Gespräch über die Kunst, bizarre Rollen anzunehmen, über Abschiede, die in Wahrheit keine sind – und über das Fernweh nach überall.

Wie geht es Ihnen mit der schlechtesten Sängerin der Welt?
Das ist eine ziemlich reizvolle Aufgabe, weil Florence Foster Jenkins nicht nur eine der schlechtesten Sängerinnen war, sondern auch eine schrullige, seelenvolle Persönlichkeit, die sich nicht an musikalische Gesetze gehalten hat. Eine Frau, die vergisst, dass sie falsche Töne singt, und auch noch glücklich dabei ist. Dieses Glück und diese Freude an der Musik meint sie weiterschenken zu müssen, und das ist doch eigentlich sehr schön.

Aber diese Frau hat wirklich ganz furchtbar falsch gesungen.
Das ist ja das Rührende. Sie war naiv wie ein Kind. Natürlich hatten die Kritiker recht mit ihren Verrissen. Aber Foster Jenkins hat ihren Lebenstraum verwirklicht und damit eine Befriedigung erfahren, von der viele Menschen eben nur träumen können.

War das der Grund, warum sie so viele Fans hatte?
Abgesehen von den Menschen, die gekommen sind, um sie zu kritisieren, war es sicher die Freude, die sie am Singen hatte. Sie lebte diese Illusion, dieseTräume. Vielleicht gibt es Leute, die sie auch darum beneidet haben. Es hat auch etwas Faszinierendes, zu wissen, dass ein Mensch glaubt, die geborene Diva zu sein.

Hätte Foster Jenkins heute auch noch ihre Anhänger?
Ich denke, schon. Sie ist erst mit 40 das erste Mal aufgetreten und hat über Jahre hinweg ihre Fans gefunden. Berühmte Künstler wie der italienische Opernsänger Enrico Caruso sind ihr zu Füßen gelegen. Umgekehrt kann man heutzutage einen Menschen schnell zerstören – via Facebook. Damals gab es  nur Zeitungen. Die hat Jenkins wohl nicht immer gelesen.

Ob sie trotzdem gewusst hat, was sie da macht?
Es ist sehr wohl möglich, dass sie realisiert hat, dass ihr Gesang nicht gerade vom Feinsten war. Sie hat sich aber auch schnell beruhigen lassen. Ihr war sicher nicht klar, dass kaum ein Ton gestimmt hat. Sie wollte glauben, dass alles wunderbar klingt. Das ist eine Tragödie irgendwie.

Sie war sehr exzentrisch. Braucht man das für die Bühne?
Nein. Das Wichtigste ist, ganz bei sich zu sein. Wenn jemand mit aufgeblasenem Gehabe herumrennt, braucht er das fürs fragile Ego. Mit dem künstlerischen Output hat das nichts zu tun.

Wie anstrengend ist es, bei Proben falsch zu singen?
Es hat schon einen gewissen Reiz, daneben zu singen. Also nicht extra falsch, sondern gerade so viel, dass es schmerzt. Das ist lustig, aber ungewohnt. Man muss dem extra Beachtung schenken. Aber es geht erstaunlich leicht.
Haben Sie gezögert, das Stück anzunehmen?
Ich habe überlegt und gewusst, es muss jemand sein, dem ich vertraue. Weil so ein Stück kann man schnell als Schenkelklopfer inszenieren. Das wäre fad. Man muss die Geschichte sensibel behandeln.

Der Regisseur, dem Sie vertrauen, ist Ihr Exmann Michael Schottenberg. Sie arbeiten zum zweiten Mal nach der Scheidung mit ihm. Wie funktioniert das?
Wir gehen es sehr vorsichtig an und versuchen professionell zu arbeiten, weil es um das Stück geht und nicht um uns. Wir konnten schon immer gut miteinander arbeiten. Wir haben uns ja auch über die Arbeit kennengelernt. Es geht.

Sie haben 2012 eine Farewell-Tour gemacht. Jetzt singen Sie wieder. Wieso müssen sich Sängerinnen immer verabschieden, um dann doch wieder aufzutreten?
Diese Tour war kein Abschied vom Singen, sondern ein Abschied von den Liedern von damals. Jetzt bin ich 30 Jahre älter, und die Lieder habe ich geschrieben, als ich einen anderen Zugang zum Leben hatte. Als sich die Plattenfirma entschloss, diese vergriffenen CDs nochmal als Päckchen herauszugeben, dachte ich, das ist der Moment, noch einmal auf Tour zu gehen. Ich hatte Lust darauf.

Alte Lieder singen, das kann auch schiefgehen.
Ja, und ich war eigentlich ziemlich erstaunt, wie viele dieser Lieder für mich noch stimmig waren  und wie viele noch Gültigkeit haben. Durch die jungen Musiker habe ich auch einen neuen Zugang gefunden. Das hat richtig Spaß gemacht. Ich hatte nicht das Gefühl, als Alte nochmal die alten Lieder zu singen, sondern: Heute singe ich die Lieder von damals. Das war eine sehr positive Erfahrung.

Die Beziehung mit Schottenberg war damals schon zerbrochen.  Da war es wohl gut für Sie, unterwegs zu sein.
Das Projekt „I mecht landen“ war schon vorher im Laufen. Die Tournee hat zeitlich gut gepasst. Ich hatte immer zwei Künstlerseelen in meiner Brust. Die eine ist die Schauspielerei. Sie gehörte uns gemeinsam. Das Singen gehört mir. Das hat sich gut gefügt.

Können Sie sich vorstellen, mit neuen Liedern auf Tour zu gehen?
Ja, mit neuen und mit ein paar alten, die noch ihre Gültigkeit haben.
Singen Sie auch im Alltag?
Ja, pausenlos. Wenn ich nicht singe, pfeife ich. Oder es singt der Plattenspieler. Ich singe überall, beim Kochen, beim Radfahren – das wird dann auch von den Passanten kommentiert. Am liebsten singe ich in Räumen mit guter Akustik, wie dem Badezimmer.

Sie können also verstehen, warum Florence Foster Jenkins um jeden Preis Sängerin werden wollte?
Ja. Wenn man auf der Bühne steht und singen darf, relativieren sich so viele Dinge, die man sonst schlecht wegstecken kann. Auch die eigenen Verletzungen. Im Moment des Singens ist alles vergessen.

Was spielen Sie lieber? Kömodie oder Tragödie?
Tragödien. Oder Menschen, die es nicht leicht haben und es dann trotzdem schaffen. So wie Edith Piaf. Sie hatte einen schwierigen Start, hat alles riskiert und es geschafft. Auch sie hat ihre Kraft aus der Musik bezogen. Und das weitergegeben.

Ist Foster Jenkins gescheitert oder hat sie es geschafft?
Ich will das gar nicht beurteilen. Beides. Man kann sie als gescheitert sehen, weil sie sich blamiert hat. Oder dass sie es geschafft hat, weil sie überlebt hat. Sie konnte jedenfalls ihrem Gesang etwas Positives abegewinnen. Sie war offensichtlich ein glücklicher Mensch – und konnte auch andere glücklich machen.

Was wird Sie in Zukunft glücklich machen?
Ich hoffe, dass immer wieder reizvolle Aufgaben an mich herankommen, dass es spannend bleibt. Und ich würde gern mehr reisen.

Wo zieht es Sie hin?
Dorthin, wo ich noch nicht war. Das ist fast überall.

Das glaub ich jetzt nicht.
Doch, ich war noch nie sehr viel unterwegs. Also ich war in New York, aber nicht im Rest der USA. Auch Indien ist riesig, ich kenne nur den Süden. In Südamerika war ich nur in Argentinien. Es gibt noch ein paar reizvolle Ziele.

TIPP

„Glorious!“ von Peter Quilter mit Maria Bill, Till Firit, Inge Maux – Regie: Michael Schottenberg – hat am 29. September Premiere.

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