Die Zeugin der Anklage sorgt für irre Volten

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Katharina Stemberger bezaubert in einem klassischen Krimi von Agatha Christie in Vienna's English Theatre.

Marlene Dietrich gelang es im Film von Billy Wilder mit großem Erfolg, nun hat es ihr Katharina Stemberger auf der Bühne nachgemacht: Kluge, berechnende Frauen, die in einem Kriminalspiel von Agatha Christie vorkommen, lassen niemanden kalt. Das war auch bei der Premiere von „Witness for the Prosecution“ diese Woche in Vienna's English Theatre so.

Philip Dart hat ein – besonders im Finale – rasantes, pointiertes Drama inszeniert, in dem Stemberger der entscheidende Farbtupfer sein darf. Sie spielt nuanciert in dem sonst mit englischen Native Speakers bestens besetzten Zweiakter eine österreichische Immigrantin – die Zeugin der Anklage, die im Kontrast zu ihrem des Mordes bezichtigten Mann eine wundersam schillernde Figur abgibt. Warum belastet sie ihn? Am Schluss, nach einigen kühnen Wendungen glaubt man, klüger zu sein. Aber wer weiß schon, welchen Aussagen man trauen darf. Und trügt die Erinnerung? Oder gab es im Film gar nicht so viele Volten wie hier?

Was ist geschehen? Eine reiche Frau im reifen Alter ist in London erschlagen worden. Kurz zuvor hatte der simpel wirkende, arbeitslose Leonard Vole (Chris Polick) sie besucht. Der junge Mann war von dieser Gönnerin bald schon zu ihrem Haupterben gemacht worden. Der Fall scheint eindeutig: Er ist der Täter! Vor seinem gewandten Verteidiger Sir Wilfrid (Robin Kingsland) liegt die fast unlösbare Aufgabe, Voles Unschuld zu beweisen.

Raffinierte Wortgefechte vor Gericht

Der Angeklagte glaubt ein Alibi zu haben, seine Frau Romaine (Stemberger) sollte das bezeugen. Um ihre Aussage dreht sich das Stück, zu dessen Farbe eine ganze Reihe typisch britischer Charaktere mit diversen Akzenten beiträgt: der exzentrische Richter, die verbitterte alte Jungfrau, das naive Hausmädchen, der pompöse Ankläger – sie alle übertreiben ihre Rollen gerade um so viel, dass es noch angenehm glaubhaft ist. Das Drama, das im Anwaltsbüro und vor Gericht spielt, ist dicht im Text und rhetorisch abwechslungsreich, das Ensemble meistert diese brillanten, von Christie raffiniert montierten Wortgefechte mit Bravour. Da vergisst man die Statik, die sich durch den natürlichen Alterungsprozess eines 60 Jahre alten Thrillers und das bescheidene Interieur der kleinen, von Sue Mayes effizient ausgereizten Bühne ergibt. Hier wird eine Art Kammerspiel gepflegt, die sich seit Generationen bewährt hat.

Bis 21. Dezember (außer an Sonntagen), 1080 Wien, Josefsgasse 12, 19.30 Uhr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2013)

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