Eine „Zauberflöte“ für Kinder und Kenner

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Musikfreunde, die sich noch einen Funken Naivität bewahrt haben, werden mit der Neuinszenierung von Leiser und Caurier, die deftiges Vorstadttheater von anno 1791 mit modernem Leben füllt, ihre Freude haben.

Es wird Musikfreunde geben, denen diese Inszenierung allzu simpel scheint. Das Duo Leiser/Caurier verzichtet für Wien auf den Regietheater-Holzhammer: Die Szene bleibt mehrheitlich kahl, ein paar Vorhänge, ein verjüngtes Proszenium mit zwei Türen genügen, um die billige Vorstadtbühnenstimmung zu suggerieren, die anno 1791 auf der Wieden bei der Uraufführung der „Zauberflöte“ geherrscht haben muss. Der Rest ist lustvolles Theater – mit kabarettistischen Effekten, allem Maschinenzauber, der damals das Publikum angelockt hat, wilden Tieren, Falltüren, „fliegenden“ Sängerknaben und Sopranen, Schattenrissen, mit Donner, Blitz und so viel Feuerwerk, wie die Theaterpolizei erlaubt.

Wer sich gern an seine Besuche im Kasperltheater erinnert, erlebt die neue Staatsopern-„Zauberflöte“ als Déjà-vu-Ereignis der sympathischen Sorte. Nicht, dass die Regisseure auf eine Aktualisierung verzichtet hätten, aber sie bleibt dezent und vor allem konsequent im Rahmen von Schikaneders Text.

Auf der Altwiener Pawlatschen agieren sehr heutige Figuren. Die Königin der Nacht ist keine distanziert-erhabene Monarchin, sondern das, was man im Freihausviertel seinerzeit gewiss eine „hysterische Funsen“ genannt hätte. Die Entourage des Herrn Sarastro lässt wiederum durchblicken, dass auch das Leben im Bezirk der Eingeweihten keineswegs rosig ist. Zuletzt schöpft man angesichts der beherzten Prinzessin, die an der Seite des Prinzen alle Prüfungen besteht, offenbar Hoffnung auf Erneuerung. Dergleichen darf sich der Zuschauer zusammenreimen. Er muss aber nicht.

Ein Gspaß für alle Altersklassen

Die Regie wahrt durchwegs Distanz und schafft Freiräume für die Fantasie. Und weil auch Humor im Spiel ist, den man zynisch finden kann, oder einfach zum Lachen, ist diese „Zauberflöte“ endlich wieder als hintergründiger Gspaß für alle Altersklassen geeignet. Es wird jeder darin finden, was er sucht – und vieles, was er nicht sucht, aber dank Schikaneder, dank Mozart oder auch dank der Improvisationsgabe der Darsteller dankbar mit nach Hause nehmen kann. Zwar, der technische Aufwand, der im Hintergrund waltet, scheint eminent. Also ist es wieder nichts mit der Repertoiretauglichkeit. Die Aufführung will sorgfältig vorbereitet sein. Doch bietet sie einen großzügigen Rahmen, innerhalb dessen sich unterschiedliche persönliche Auslegungen der Figuren denken lassen: Markus Werbas höchst wienerischer, seelenvoller und ganz und gar nicht derber Papageno könnte sich sogar einige der alten Extempores mit der Zeit wieder aneignen, die im Moment gestrichen sind.

Der Dialog mit der schon als krächzender flügellahmer Rabe hinreißenden, dann wunderbar ranken, doch bereits mit fülligem Sopran begabten Papagena Valentina Nafornitas lässt jetzt schon kaum Wünsche offen. Chen Reiss spielt die Wandlung von der unschuldig-trotzigen Königstochter zur reifen Frau spannend aus und wird wohl für die g-Moll-Arie fürderhin noch sattere Klangfarben finden. Ihr Tamino ist der ihr ebenbürtige schlank timbrierte, stilsicher bewegliche Tenor Benjamin Bruns.

Neues, jugendliches Führungs-Duo

Nicht minder jugendlich wirkte anlässlich der Premiere das „Führungs“-Duo mit dem trotz Indisposition machtvollen Bass Brindley Sherratts und der gestochen scharf attackierenden Olga Pudova – beide so ambivalent charakterisiert, dass niemand bedauert, dass Königin wie Sarastro zuletzt aus dem Spiel verschwinden. Aus dem Ensemble neben den untadeligen, rechtschaffen zänkischen Damen (Christina Carvin, Alisa Kolosova und Olga Bzsmertna), Thomas Ebensteins Monostatos und der Erste Priester Benedikt Kobels; und der neue Sprecher Alfred Srameks, über dessen wortdeutliche, klar durchdachte Gestaltung der Schlüsselszene sich absatzweise schwärmen ließe. Sramek schließt an die große Wiener Interpretationsgeschichte dieser scheinbar kleinen Partie würdig an, während die Philharmoniker unter Christoph Eschenbach – den undeutlichsten Auftakten der Welt zum Trotz – zur alten Mozart-Klangsinnlichkeit zurückfinden. Dass uns auch musikalisch eine Pause von den fortwährenden Experimenten gegönnt wird, tut wohl. Diese so gar nicht spektakulär anmutende Premiere hatte also allerhand für sich...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2013)

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