Dieudonné: Komik als Judenhetze

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Der französische Innenminister versucht die Tournee des beliebten Komikers zu stoppen: Ist Dieudonné ein gefährlicher Antisemit oder nur ein erfrischender Tabubrecher?

Er wird weiter auftreten, egal, was Gerichte entscheiden: So einfach kann man dem Komiker Dieudonné nicht den Mund verbieten, und die Verbotsempfehlung des Innenministers an die Städte, durch die Dieudonnés neue Tournee, „Le mur“ („Die Mauer“), führt, wird daran wenig ändern. Ein erstes Auftrittsverbot, verhängt von der Präfektur in Nantes, wurde von einem dortigen Verwaltungsgericht am Mittwoch wieder gekippt, wenige Stunden darauf jedoch vom obersten Verwaltungsgericht in Paris doch bestätigt: Fans warteten vergeblich vor dem Auftrittsort.

Dieudonné ist ein Beispiel dafür, wie man von links nach extrem rechts schlittern kann, wenn man den Kolonialismus als Ursünde des Westens und die Welt als Produkt einer amerikanisch-zionistischen Weltverschwörung sieht. Die Witze des begabten Komikers mit französisch-kamerunischen Wurzeln sind längst nicht mehr ein Akt radikaler Subversion an sich gegen alles und jeden. Sie richten sich nicht gegen „das“, sondern gegen „ein“ System, jenes „rassistische“, das die Ungerechtigkeiten von Kolonialismus und Sklaverei ignoriere, ja fortführe und gleichzeitig aus dem obsessiven Schuldbewusstsein des Westens gegenüber dem Holocaust Kapital schlage.

„Die Gaskammern... Schade!“

Daher kommen Witze wie „Isra-Heil“, sein Holocaust-Spottlied „Shoananas“ oder die Bemerkung über einen ihm verhassten Journalisten: „Wenn ich Patrick Cohen reden höre, sage ich mir, verstehst du, die Gaskammern... Schade!“ Juden sind für ihn „die großen Gauner dieses Planeten“, vom früheren iranischen Präsidenten Ahmadinejad ließ er sich Geld für, wie er sagt, „antizionistisches“ kulturelles Engagement geben, sogar die Einführung der Homo-Ehe sieht er als „zionistisches Projekt“. Obwohl das in seiner Primitivität und Einseitigkeit nicht ernst zu nehmen ist, wird es in Frankreich ernst genommen, von Fans wie Gegnern. Etliche Male wurde Dieudonné schon verurteilt – Bußgelder ignorierte er bislang geflissentlich. Und seine Beliebtheit wuchs.

Dass die neue Show nichts wirklich Neues bringt, sondern vor allem seine antijüdische Obsession bestätigt, zeigte ein paar Stunden lang ein Videomitschnitt der Pariser Vorpremiere auf der Internetseite des Magazins „Le Point“. Das Video verschwand rasch wieder – vielleicht wegen des Tenors in unzähligen Forenkommentaren: Das will man verbieten? Ist doch lustig! Jetzt erst recht!

In Dieudonnés Publikum finden sich Rechte wie Linke, viele davon junge muslimische Immigranten, die Israel als Feind sehen und nicht verstehen, warum man sie mit dem Holocaust „nervt“, mit dem nicht einmal ihre Eltern zu tun hatten. Auch solche sind dabei, denen Dieudonnés Fixierung auf Juden als Zielscheibe unangenehm ist, die aber den Rundumschlag gegen (angeblich) „alle“, gegen „das System“ erfrischend und witzig finden. Viele genießen den Aufstand gegen die „Hierarchisierung der Rassismen“, kritisieren, in Frankreich werde mit zweierlei Maß gemessen, die Kolonialgeschichte werde heruntergespielt, Mohammed-Beschimpfungen werden toleriert, Bemerkungen über Juden und den Holocaust dagegen verfolgt.

„Knödel“ als umgekehrter Hitlergruß?

Mindestens anfangs verdankte Dieudonné seine Karriere auch seiner Begabung. Er begann in den Neunzigerjahren mit einem jüdischen Kollegen, kandidierte als Antirassist gegen den Front National. Heute ist er der unverdauliche rechtsdrehende Knödel im Bauch der Republik. „Quenelle“, „Knödel“, heißt ein von ihm erfundener Gruß, benannt nach dem ausgestreckten Mittelfinger. Einen Arm gestreckt nach unten, den anderen über die Brust gekreuzt – ein umgedrehter Hitlergruß? Zumindest sehen das viele seiner Fans so und posieren mit diesem Gruß in Auschwitz oder an der Klagemauer.

Nicht so schlimm, alles schon gehört, denkt man sich bei der neuen Show. Schlimm klingen immer nur die Lacher danach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2014)

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