Kein Geist in diesem „Geisterhaus“

FOTOPROBE AKADEMIETHEATER: DAS GEISTERHAUS
FOTOPROBE AKADEMIETHEATER: DAS GEISTERHAUSAPA/ROLAND SCHLAGER
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Antú Romero Nunes inszeniert Isabel Allendes Erfolgsroman – szenisch opulent mit einem hochkarätigen Ensemble, aber uninspiriert und allzu kühl.

Isabel Allende ist die Königin der Gefühle!“, schrieb die Zeitung „El Mundo“. Gefühle sind nicht die Stärke des 1983 in Tübingen geborenen Regisseurs Antú Romero Nunes, der portugiesisch-chilenische Wurzeln hat und an der Burg „Einige Nachrichten an das All“ von Wolfram Lotz inszenierte. Seit Donnerstagabend ist im Akademietheater seine Bühnenfassung von Allendes Bestseller „Das Geisterhaus“ (1982) zu sehen. Vom schwelgerischen Realismus der Verfilmung von Bille August mit Staraufgebot (Meryl Streep, Glenn Close, Jeremy Irons, Antonio Banderas, Winona Ryder) setzt sich Nunes, der als Shootingstar des deutschen Theaters gefeiert wird, scharf ab – mit Künstlichkeit.

Auch hier sind nicht wenige der besten Kräfte des Burgtheaters versammelt. Doch was macht Nunes mit seinen Stars? Zu Beginn erläutert ein Frauenchor die Exposition, dann wird diese stumm gespielt, eine Zeitverschwendung. Florian Lösches Bühnenbild besteht aus einem grauen Bunker mit beweglichen Teilen, die wie Beton aussehen: Das Leben schlägt Kapriolen, aber der Mensch bleibt letztlich in einem Keller, aus dem es kein Entrinnen gibt. Wie originell.

Frauen spielen Männer, Männer spielen Frauen, das ist jetzt sehr in Mode, aber auch dieser gewinnt Nunes keine neuen Dimensionen. Die Aufführung ist ein Bilderbogen. Wer den Roman gelesen hat, ist im Vorteil. Die meisten werden ihn gelesen haben, schließlich war „Das Geisterhaus“ ein Bestseller. Dass man Romane, von denen es heute viele auf Bühnen gibt, vor Aufführungen liest, ist okay, das musste man mit Klassikern früher auch machen. Die Roman-Aufführungen entwickeln aber dasselbe Problem wie jene von Klassikern: Sie bleiben oft weit hinter dem Text zurück. Auch hier ist da so. Das Buch rührt streckenweise fast zu Tränen, das Theater rührt kaum. Wahrscheinlich wollte Nunes Kitsch vermeiden. Das gelang, die Produktion ergreift allerdings auch wenig.

Starke Mimen: Peters, Lyssewski, Diehl

Allendes Roman erzählt anhand einer Familiengeschichte mit autobiografischen Elementen die Verwerfungen in Chile und ganz Lateinamerika zwischen Feudalismus, niedergeschlagenen linken Revolutionen, Militärdiktaturen. Die Verhältnisse erinnern an heutige Ereignisse im Nahen und Mittleren Osten. Allendes, Ansichten werden deutlich, aber bei Weitem nicht so platt wie in diesem Theaterstück. Das gilt für die politischen wie für die psychologischen Themen: Die flirrende Ambivalenz des Romans wirkt zerstört. Außerdem hält die Aufführung die Spannung nicht, sie sackt immer wieder ab.

Drei starke Schauspieler tragen diesen unausgewogenen, einerseits bildersüchtigen, andererseits hohlen Abend einigermaßen durch: Caroline Peters, Dörte Lyssewski und August Diehl. Peters brilliert wieder einmal mit dem rätselhaften Blick aus ihren großen Augen als hellseherische Clara – und sie darf sogar etwas Wärme zeigen. Lyssewski übertrifft an Ausstrahlung beinahe Glenn Close, die Esteban Truebas, des Helden, unglückliche Schwester Ferula im Film spielte. August Diehl öffnet routiniert, aber auch souverän, in seinen verschiedenen Rollen, als Esteban oder als Folterer immer neue Abgründe wehleidiger oder kalter Grausamkeit.

Ignaz Kirchner, die zweite Spiegelung des Protagonisten, der als Feudalherr Familie und Gesinde misshandelt, findet erst im Schlussmonolog zu seiner gewohnten Form. Der Produktion fehlen einfach authentische Charaktere. Ein Mann wird nicht bloß durch eine prächtige „Haarmatratze“ zum Caballero. Trotz feuriger Gitarrenmusik, schwarzer Roben, unheimlicher Szenen: Das Milieu stimmt nicht, man spricht Deutsch, zu deutsch auf dieser Via Mala.

Statt Geister regieren hier Analyse und ausgeklügelte Komik. Temperament, Exaltation? No. Die Schauspieler sind insgesamt gut, mit ihren rasanten Kostümwechseln verlangt ihnen Nunes viel ab. Adina Vetter gibt die Prostituierte Tránsito, Jasna Fritzi Bauer den Revolutionär Pedro Tercero, Aenne Schwarz den Hund Barrabas. Die Authentizität fremder Welten wie in Sergi Belbels „Zeit der Plancks“ oder in „Verbrennungen“ von Wajdi Mouawad, wo sich das Burg-Ensemble auch weit vom originalen Milieu zu entfernen hatte, wird diesmal bei Weitem verfehlt.

Wer bereits entschlossen ist, sich dieses „Geisterhaus“ anzuschauen, weil es sein Lieblingsbuch ist, kann aber auf zwei Positiva zählen: feine Schauspieler, viel szenische Kurzweil für drei Stunden mit einer Pause.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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