Karin Beier: "Schimpfen und bleiben"

Archivbild - KARIN BEIER
Archivbild - KARIN BEIER(c) APA (PFARRHOFER Herbert)
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"Die geballte Illoyalität der Burg-Schauspieler gegenüber der Theaterleitung" befremdet die neue Intendantin des Deutschen Schauspielhauses Hamburg, Karin Beier.

Sie haben schon lange nicht mehr in Wien inszeniert. Wann kommen Sie wieder?

Karin Beier: Da lässt sich nichts Konkretes sagen. Bevor ich hierher ans Deutsche Schauspielhaus nach Hamburg gekommen bin, war ich in Köln. Das war die Phase, in der meine Tochter noch sehr klein war und ich einfach nichts außerhalb der Stadt machen wollte. Aber jetzt ist sie sieben, und ich habe vor, wieder auswärts – also vielleicht auch in Wien – zu inszenieren.

Mit der Spielzeit 2007/08 wurden Sie Intendantin des Schauspiels Köln. Wie haben Sie diese Aufgabe mit einem Baby unter einen Hut gebracht?

Ich hatte gar keine Gelegenheit, mir darüber Gedanken zu machen. Ich wurde für Köln designiert und zwei Wochen später hatte ich Gewissheit, dass ich schwanger bin. Irgendwie war ich sehr gelassen und dachte mir, es ändert sich in meinem Leben gerade ohnehin alles. Wie hätte ich vorher wissen sollen, was es mit mir macht, wenn ich zum ersten Mal ein Theater leite oder zum ersten Mal Mutter werde? Daher ließ ich einfach alles auf mich zurollen, und das hat sehr gut funktioniert. Dazu muss ich allerdings sagen, dass die Belegschaft in Köln schon an einen inszenierenden Intendanten gewohnt war und die Menschen dort ohnehin schon sehr autonom gearbeitet haben.

Seit der Saison 2013/14 sind Sie Intendantin des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. Wie haben Sie sich auf diese Aufgabe vorbereitet?

Das ist ein längerer Prozess. Ich habe mit allen Abteilungsleitern gesprochen und dabei eine gute Einschätzung gewinnen können, wie die einzelnen Bereiche funktionieren. Auch das Organigramm lässt Rückschlüsse über die Struktur eines Theaters zu. Wobei jedes Haus anders funktioniert. Die Position des „Pressesprechers“ muss dort nicht dasselbe Gewicht haben wie da. Solche Unterschiede erfasst man erst mit der Zeit, man lernt seine Mitarbeiter kennen und weiß, wer den Ball flach hält oder wer überall gleich ein Problem sieht. Generell spielen Befindlichkeiten am Theater eine große Rolle. Das ist etwas, was mich stört.

Dieses Haus hatte ja auch schon lang keinen inszenierenden Intendanten.

Das stimmt. Man musste sich hier auch erst daran gewöhnen, dass ich mich zunächst für ein paar Monate in die Probenarbeiten gestützt habe. Und das Ganze funktioniert dann auch nur, wenn man Mitarbeiter hat, von denen man ohne viele Worte weiß, dass sie mit einem an einem Strang ziehen.

Die haben Sie?

Ja, die habe ich. Ich habe einen Teil meines Teams aus Köln hierher mitgenommen. Dennoch – das ist meine persönliche Haltung – ist es sinnvoll, als Intendant nicht zu viel zu inszenieren.

Ihr Name steht stark für politisches Theater.

Das hat viel mit meiner Kölner Zeit zu tun. Dort hatte ich heftige Kämpfe mit der Stadt und dem Oberbürgermeister auszufechten, weil ich gegen den Abriss des Theaters und gegen einen Neubau Position bezogen habe. Aufgrund dieses Engagements bin ich für einige Parteien in Köln noch heute ein rotes Tuch. Aber wenn man in der politischen Öffentlichkeit so ausgestellt wird, kann man danach nicht „Romeo und Julia“ inszenieren. Das geht einfach nicht. Die Saison 2010/11 haben wir dann mit dem Auftragswerk von Elfriede Jelinek „Im Bus“ und „Ein Sturz“ eröffnet, das sich mit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs befasst. Aber es ist nicht leicht, politisches Theater zu machen, und es gelingt auch nicht immer. Außerdem lässt sich nicht jeder Regisseur für einen politischen Spielplan begeistern.

Lassen Sie hier überhaupt Regisseure zu, die einen anderen Zugang haben?

Ich lasse viele unterschiedliche Handschriften zu, aber wir müssen inhaltlich – nicht ästhetisch – eine Marschrichtung haben. Ich finde, dass man als Theater Haltung innerhalb der Stadt beziehen muss. Das darf auch ruhig einmal wehtun oder provozieren. Das Publikum nur zu bedienen, finde ich problematisch. Allerdings muss man dann eben auch aushalten, wenn einen die Leute nicht mögen. Aber dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Sie haben hier bei Ihrem Antritt das ganze Ensemble drastisch verändert.

Ja, ich habe Tabula rasa gemacht. Es gibt natürlich Angenehmeres, als Menschen zu kündigen, und es wird einige geben, die mich deswegen womöglich ein Leben lang hassen. Aber Intendantenwechsel heißt für den Schauspieler in der Regel: Ich werde gekündigt. That's the name of the game. Ich kann nur mit Schauspielern arbeiten, die ich für gut halte und denen ich zutraue, ein solches Haus mit Kraft zu füllen.

Wie nehmen Sie in Hamburg die aktuelle Situation am Burgtheater wahr?

Es liegt mir fern, irgendein Urteil zu fällen, denn ich bin nicht in der Materie drinnen. Aber mir ist schon vor den aktuellen Problemen aufgefallen, dass es in Wien eine geballte Illoyalität der Schauspieler gegenüber der Leitung gibt. Das wundert mich, und ich hoffe, dass hier niemand so über mich spricht. Nur: Wenn jemand unzufrieden ist, soll er gehen. Schimpfen und bleiben – das scheint irgendwie ein Wiener Markenzeichen zu sein.

Es gibt viele Menschen, die denken, es wird langsam Zeit für eine Frau an der künstlerischen Spitze der Burg. Reizt Sie Wien?

Natürlich, Wien ist eine tolle Stadt! Ich habe ja dort gelebt und auch einige Zeit gebraucht, mich an den Mentalitätsunterschied zu gewöhnen. Aber danach habe ich Wien sehr gemocht. Das Privileg dieser Stadt ist sein Publikum. Die Leute gehen gern ins Theater, sie lieben es. Auf diese Begeisterung sind doch alle neidisch, denn sie ist keine Selbstverständlichkeit. Und noch etwas verbindet mich mit Wien: Meine Tochter ist dort geboren, sie ist also ein Wiener Würstchen.

Steckbrief

1965
wurde Karin Beier in Köln geboren. Dort studierte sie auch Anglistik, Film-, Theater- und Fernsehwissenschaft.

1991
ging sie an das Düsseldorfer Schauspielhaus. Nachdem sie auch in Wien am Akademietheater verschiedene Stücke – unter anderem „Kleinbürger“ von Maxim Gorki – inszenierte, wurde sie

mit der Spielzeit 2007/08
nach Köln gerufen, wo sie die Leitung des Schauspiels Köln übernahm. Neben unkonventionellen Inszenierungen von Klassikern wie Ibsen oder Shakespeare verschrieb sie sich auch zeitgenössischen Stücken. 2010 wurden drei Stücke von Elfriede Jelinek uraufgeführt.

2013/14 zog sie nach Hamburg und übernahm dort als erste Frau die Intendanz des Deutschen Schauspielhauses Hamburg. Nach einem Baustellenunfall nach der Renovierung des Theaters, bei dem es zu schweren Sachschäden kam, konnte die Saison erst im Jänner mit dem Antikenmarathon „Die Rasenden“ eröffnet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2014)

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