Burgtheater-Direktor Hartmann geht in die Offensive

Der Direktor will Transparenz. Er habe gegenüber Springer schon im November 2011 die Abschreibungsmethode kritisiert. Springer widerspricht dem. Bekannt wurde, dass auch Hartmann Honorare in bar erhielt.

Er habe zu dem Gespräch geladen, weil er betroffen sei über das Niveau, auf dem die Debatte ums Burgtheater derzeit geführt werde. Es würden wissentlich falsche Zahlen veröffentlicht. Mit diesen Worten eröffnete Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann die gestrige Pressekonferenz. Er wolle die Diskussion mit klaren Zahlen versachlichen. Doch als er die Fragen der anwesenden Journalisten beantworten soll, kommt Hartmann selbst ins Trudeln.

Anhand einer von ihm verteilten Chronologie erklärte Hartmann Folgendes: Nachdem er bemerkt hatte, dass sich die Liquidität des Hauses trotz Steigerung der Einnahmen und der Kostendisziplin verschlechterte, zog er Peter Raddatz, „einen anerkannten Experten für Theaterfinanzen", hinzu. Der kritisierte alsbald die am Haus gepflegte Abschreibungspraxis, worüber er gemeinsam mit Raddatz umgehend, im November 2011 nämlich, den Aufsichtsratsvorsitzenden Georg Springer verständigte. Weder Springer noch die interne Revision noch die von Springer zurate gezogenen Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) sahen jedoch irgendeine Notwendigkeit zu handeln. Nachdem er mit seiner Kritik nicht durchgedrungen sei, habe er mit strengster Kostendisziplin und durch die Steigerung der Einnahmen alles in seiner Macht Stehende zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Burg getan.

Dann kam es zu dem gesetzlich vorgesehenen Wechsel der Wirtschaftsprüfer. PwC wurde von KPMG abgelöst. „Sie hat der Himmel geschickt", sagt Hartmann. Sie habe sich nämlich seiner und Raddatz' Kritik angeschlossen und die praktizierte Abschreibungspraxis für nicht korrekt erklärt. „Ich bin der KPMG für ihre Arbeit sehr dankbar, denn damit wurde es möglich, die Vermögenslage erstmals klar zu sehen." Und zwar nicht nur die heutige. Hätte man diese „sehr unübliche Abschreibungsmethode" schon früher praktiziert, die finanzielle Lage des Hauses wäre schon 2009, zum Zeitpunkt seines Amtsantritts, eine völlig andere gewesen. „Es hätte sich ein Bilanzverlust von 8,5 Millionen Euro ergeben. Diese Zahlen hat mir die KPMG bestätigt. Also: Heute beträgt das Budgetdefizit 8,3 Millionen Euro, vor meinem Antritt waren es 8,5 Millionen Euro. Die süffisante Bemerkung, dass ich in meinem Vertragsadditional drinstehen habe, dass ich ein schuldenfreies Haus übernehme, wird man mir erlauben." Er freue sich, nun Transparenz geschaffen zu haben und in eine positivere Zukunft schauen zu können. Es sei Zeit, das Burgtheater dort hinzubringen, wo es hingehöre: „In die Auseinandersetzung mit der Kunst."

Auch Hartmann bekam Honorar bar

Mit seinen Worten wollte Hartmann Klarheit schaffen. Die Fragen, denen sich Hartmann im Anschluss stellen musste, brachten jedoch weniger Transparenz als Ungereimtheiten zutage: Ob unter dem Jahresabschluss nicht 2008/09 auch seine Unterschrift zu finden sei? „Ja", sagt Hartmann, und zwar, obwohl er eine derartige Abschreibungsmethode zuvor nicht gekannt habe, weder in Bochum noch in Zürich.

Eine weitere Diskrepanz gibt es: Hartmann sagt, er habe gegenüber Springer die Abschreibungsmethode schon im November 2011 kritisiert, nicht schriftlich, aber im Zuge eines gemeinsamen Gesprächs. „Das stimmt nicht", entgegnet Springer auf Anfrage der „Presse", „ich bin meinen Kalender durchgegangen. Es gab keinen Termin."
Divergierende Schilderungen gibt es auch zu dem Vertragsverhältnis der ehemaligen kaufmännischen Direktorin, Silvia Stantejsky. 2008, noch unter Klaus Bachler, wurde sie kaufmännische Geschäftsführerin. Schon wissend, dass Hartmann 2009 die Direktion übernehmen werde und vielleicht andere personelle Vorstellungen haben könnte, schloss man mit ihr einen Vertrag ab, der beiden Seiten eine Auflösung des Vertragsverhältnisses ermöglichen sollte. Konkret heißt das: Hätte Hartmann nicht mehr mit Stantejsky zusammenarbeiten wollen, hätte er sein Veto bis 15. 2. 2010 aussprechen müssen. Das habe er nicht getan, sagte Hartmann. Springer hätte ihn nämlich wissen lassen, dass man es im Ministerium nicht gern sehe, dass eine Frau einen kürzeren Vertrag als ein Mann erhalte. Man müsste deshalb den Vertrag verlängern. Springer hat diesen Sachverhalt ganz anders in Erinnerung: „Ich habe Hartmann immer wieder gefragt, wie es nun mit Stantejsky weitergehen soll. Es gab ein Wechselbad der Gefühle. Schlussendlich sagte mir Hartmann, sie sei die Seele des Hauses. Eine Trennung sei nicht möglich. Es war sein ausdrücklicher Wunsch, dass sie bleibt."
Auf die Frage, ob Stantejsky auch Geld, das ihm zustünde, für ihre Loch-auf-Loch-zu- Politik (so der Terminus der KPMG) verwendet habe, antwortet er: „Aus meiner Vorbereitungszeit, als ich noch nicht in Wien ansässig war, standen mir Gagen zu. Auch für die Abgeltung für Inszenierungen, die ich mitgebracht habe. Die wurden von ihr verwahrt." Möglicherweise habe sie es verwendet, er könne es nicht beurteilen. Ob er denn diese Honorare bar ausgezahlt bekommen habe? „Nein", antwortet Hartmann zuerst. Wie man Nichtbares verwahren könne, fragt „Die Presse". Es sei alles rechtmäßig gewesen, antwortet Hartmann. Es habe sich um eine Zeit gehandelt, in der er noch kein Konto in Österreich gehabt habe. Daher habe Stantejsky das ihm zustehende Honorar verwahrt. Sie sei ihm behilflich gewesen, habe für ihn auch seine erste Steuererklärung gemacht. Auf eine weitere schriftliche Anfrage der „Presse" nach dem Gespräch bestätigt die Pressestelle der Burg: „Das Vorbereitungshonorar wurde, als Jahrespauschale gestaffelt über drei Jahre, in bar ausbezahlt." Über die Höhe des Vorbereitungshonorars und die Abgeltung für seine mitgebrachten Regiearbeiten will Hartmann „auch aus datenschutzrechtlichen Gründen" keine Auskunft geben.

Weshalb sich Hartmann das Honorar bar auszahlen ließ und es nicht auf sein Konto in der Schweiz überwiesen haben wollte, bleibt derweil noch unklar. Und auch, ob Stantejsky ihm das für ihn verwahrte Geld zur Gänze retourniert hat, ist weiterhin offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2014)

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