Wer rettet das Burgtheater?

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AUSTRIA THEATER(c) APA/EPA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Erstmals wird die Burg-Direktion ausgeschrieben, was die Chance auf eine Objektivierung des Verfahrens bietet. Wird es ein Regisseur oder ein Manager? Der neue Burg-Chef muss jedenfalls ein drastisches Sparpaket umsetzen.

Wer kann es? Das ist die zentrale Frage, die sich nach dem Abgang von Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann stellt. Karin Bergmann, früher Vizedirektorin des Burgtheaters unter Nikolaus Bachler, dem jetzigen Münchner Operndirektor, kennt als ehemalige Mitstreiterin Burg-Chef Peymanns seit Jahrzehnten das Haus, vor allem die Schauspieler, die in der jetzigen Krise beruhigt sein wollen. Als interimistische Leiterin wäre sie eine gute Wahl.

Der neue Burg-Chef sollte die üblichen Qualitäten haben: Kreativität, Erfahrung, Glamour-Faktor. Vor allem aber wird er ein hartes Sparpaket umsetzen müssen: 8,3 Millionen Euro Defizit plus fünf Millionen mögliche Steuerschulden, das sind fürs Erste die Zahlen. Ist das Repertoire-System haltbar, müssen Immobilien veräußert werden?

Das Burgtheater ist zwar gut ausgelastet. Aber es hat ein Dilemma: Es muss immer schneller, immer mehr produziert werden, mit immer weniger Schauspielern – aus Spargründen. Außerdem gibt es eine Generationsablöse: Größen wie Gert Voss, Martin Schwab oder Kirsten Dene sind im fortgeschrittenen Alter, bei den Jüngeren und ganz Jungen fehlen noch Profilierung und Standing.

Einen Vorteil hat der neue Chef. Er kann sich seinen künstlerischen Aufgaben widmen. Im Kaufmännischen sind mit dem Geschäftsführer Thomas Königstorfer und seinem Stellvertreter Robert Beutler zwei Profis am Werk. Die beiden werden die kommenden Monate u. a. alle Hände voll mit der Rechnungshofprüfung zu tun haben.

Frau, Mann, Regisseur oder Manager?

Erstmals in der Geschichte wird die Burg-Führung ausgeschrieben, was Einflüsterungen zwar nicht ausschließt, aber immerhin die Chance zur Objektivierung des Verfahrens bietet – mit Hearings etc. Wer berufen wird, ist dadurch schwieriger vorhersehbar. Die grundsätzliche Frage ist: Will man einen Intendanten, der inszeniert, oder nicht? Einige Vorschläge: Martin Kušej, Österreicher, Erfahrung in Oper und Schauspiel, ein großer Bildermacher und schwieriger Mensch, leitet seit 2011 das Bayerische Staatsschauspiel in München. Noch eine Schwierige: Andrea Breth hat am Burgtheater viele und einige grandiose Inszenierungen gemacht, aktuell läuft ihre „Hamlet“-Version; kann sie die Burg führen? Sie leitete 1992–97 die Berliner Schaubühne. Will sie die Burg führen? Elisabeth Schweeger war Intendantin am Frankfurter Schauspielhaus und so tüchtig, dass sie der Oper Geld leihen konnte. Als Chefin ist sie sophisticated, etwas randständig für die Burg. Karin Beier, Intendantin des Hamburger Schauspielhauses, zuvor des Schauspiels in Köln, scheint vernünftig, krisenfest, wäre wohl für die Burg zu gewinnen, ist aber als Regisseurin umstritten. Ähnliches gilt für Barbara Frey. Die Zürcher Schauspielhaus-Chefin erheiterte in Wien mit „Arsen und alte Spitzen“ das Publikum. „Liliom“ gefiel den Besuchern weniger – von einer „Geisterbahnfahrt“ schrieb „Die Presse“–, obwohl Nicholas Ofczarek den Liliom spielte.

Es wäre wünschenswert, dass unter der neuen Führung österreichische Klassiker (Grillparzer, Raimund, Nestroy) klug gepflegt werden. Teile des Publikums sehnen sich nach mehr österreichischen als deutschen Tönen, auch an Emotionen fehlt es dem Regietheater oft. Dieses wirkt mit seinem kritisch-ironischen Zugang manchmal schon sehr schematisch. Der Einsatz von Medien, Video, Performance ist auch aufgebraucht. Was kommt Neues? Auch damit müsste sich der neue Burg-Chef beschäftigen.

Zwei österreichaffine Deutsche sind Sven-Eric Bechtolf, Intendant der Salzburger Festspiele, früher Burg-Schauspieler, und Joachim Lux, Intendant des Hamburger Thalia Theaters, unter Bachler Dramaturg an der Burg. Auch der jetzige Burg-Chefdramaturg Klaus Missbach wirkt smart, kenntnisreich und hat Hartmann viel Arbeit abgenommen. Michael Thalheimer hat zuletzt viel an der Burg inszeniert und vor Jahren einen sehr originellen „Liliom“ bei den Festwochen gezeigt. Zwei Oldies sorgen derzeit für ein volles Haus: Peter Stein und Klaus Maria Brandauer, Karten für den „Lear“ sind kaum zu bekommen. Wird sich einer von ihnen oder werden sich beide gemeinsam an die Burg-Direktion wagen? Da wären die Konservativen begeistert. Oder Frank Castorf, das würde den Progressiven gefallen. Castorf ist seit 1992 Intendant der Berliner Volksbühne, sein Vertrag läuft derzeit bis 2016. Im Gespräch mit der „Presse“ deutet er jüngst an, dass er an eine weitere Verlängerung denke.

Welche deutschen Intendanten kämen noch infrage? Ulrich Khuon, Thomas Ostermeier? Bei den Intendanten der österreichischen Landesbühnen könnte man sich umsehen. Wiens Schauspielhaus-Chef Andreas Beck geht nach Basel. Gibt es Schauspieler, denen man die Burg anvertrauen könnte? Joachim Meyerhoff, Ensemblevertreter Roland Koch? Oder Ofczarek, der im „Falter“ bekannte: „Ich will spielen!“ Was künftig weniger denn je die Rolle eines Burg-Chefs sein dürfte.

Keine Teilnahme am Kulturausschuss

Am morgigen Kulturausschuss wird Hartmann nicht teilnehmen, hieß es am Mittwoch von den Anwälten des entlassenenen Burgtheater-Direktors gegenüber der "Presse". Georg Springer, der alle Aufsichtsrats-Funktionen in der Bundestheater Holding zurückgelegt hat, soll hingegen am Ausschuss teilnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2014)

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