Streng geführte "Präsidentinnen"

FOTOPROBE 'DIE PRAESIDENTINNEN'
FOTOPROBE 'DIE PRAESIDENTINNEN'APA/GEORG HOCHMUTH
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Werner Schwabs Fäkaliendrama wird von Regisseur Milos Lolić mit tollen Darstellerinnen im Volkstheater in Wien künstlich auf die Sprache reduziert.

Die Vorbühne des Volkstheaters besteht in ihrer ganzen Breite aus Stufen, der Vorhang ist noch geschlossen. Da ertönt von hinten im Parkett eine Art geistlicher Gesang. Drei Damen in hellen Frotteebademänteln schreiten wie in einer Prozession nach vorn, erklimmen den Vorbau und sagen dem Publikum, dass es die Mobiltelefone ausschalten soll. Jetzt erst geht der Vorhang hoch, im Hintergrund sieht man wandfüllend das leere Volkstheater (Bühne: Hyun Chu) – schon kann die grausame Tragikomödie „Die Präsidentinnen“ beginnen, mit der der steirische Wortzauberer Werner Schwab 1990 in Wien reüssierte, ehe er 1994 an der Trunksucht starb, nicht ohne zuvor eine Fülle genialer Dramen geschaffen zu haben. Bei der Premiere am Freitag im Wiener Volkstheater ist Regisseur MilosLolić dem Drama originell gerecht geworden. Er hat es verschlankt, spart den tristen Realismus der ärmlichen Wohnung aus und lässt drei hoch motivierte Schauspielerinnen das Schwabische zum Klingen bringen. Showtime! Sie leben in eineinhalb Stunden differenzierte Charaktere aus.


Blutrot. Katja Kolm als fromme Erna ist brillant, Martina Stilp als einfältige Mariedl bezaubernd und Claudia Sabitzer als geile Grete zu Herzen gehend. Eine beachtliche Leistung: Das Trio überspielt dramaturgische Schwachpunkte (zum Beispiel eine unlogische Mordszene) mit Elan, es ersetzt das kaum Anschauliche durch Wortwitz.

Das Geschehen wird treppauf und treppab gezeigt, mit kleinen Tanzeinlagen. Es wird geschminkt und frisiert, umgezogen und aufgedonnert. Vor das festliche Bühnenbild schiebt sich bald eine blutrot glänzende Wand. Schließlich schiebt sich ruckweise ein Block wie das finale Urteil herunter, sodass wieder bloß die Vorbühne zu sehen ist, die von den Damen ohnehin nur für Ausreißer ins Parkett, die Logen und die Gänge verlassen wurde. Davor schießen sie Glitzerzeug in die Luft.

Die Konfettikanonen sind wohl ein Symbol für die überschüssige Fantasie der drei Damen. Sie träumen sich rasend in ihre Groschenroman-Romanzen hinein. Die sparsame Erna, die mit ihren Freundinnen feiert, dass sie einen gebrauchten Fernseher und eine Pelzmütze besitzt, sieht ihre Erfüllung in einer Verbindung mit dem Fleischhauer Wottila, dessen Name scharf an Papst Johannes Paul II. erinnert.

Grete, die von ihrem Mann verlassen wurde, steigert sich in hitzige Träume über eine Heirat mit dem feschen Freddy hinein. Und Mariedl, die Klofrau, will endlich für ihre mühsamen Dienste am Schmutz von all jenen gefeiert werden, die verlangen, dass sie mit beherztem Griff verstopfte Abflüsse freibekommt. Der Kampfruf dabei: „Die Mariedl macht es ohne!“ Drastisch sind diese Tagträume, die sich alle drei zu einer Art Zeltfestfantasie vereinigen. Aber es kann immer nur eine das Mikrofon haben, um zu erzählen. So entsteht eine Konkurrenz, die schließlich handgreiflich wird. Ausgerechnet die simple Mariedl enthüllt im Finale schlicht, dass diese Wünsche nicht wahr sind. Das ruft Racheakte hervor.

Die Wahrheit ist bei Schwab brutal, mag seine Sprache noch so kunstvoll sein. Das Leben dieser armen Frauen, die nach Liebe und Anerkennung dürsten, wird von Missbrauch, Alkohol und Verrat bestimmt. Es gibt leise Sätze, die lassen den Atem stocken. Sie werden in dieser gegen den Strich gebürsteten Aufführung präzis gesetzt. Allein schon deshalb lohnt sich der Besuch.

Werner Schwab

„Die Präsidentinnen“, 1990 im Wiener Künstlerhaus uraufgeführt, machten den 1958 in Graz geborenen Dichter bekannt. Berühmt wurde er mit „Übergewicht, unwichtig: Unform“ (1991 im Wiener Schauspielhaus). Schwab starb am 1. 1. 1994 in Graz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

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