„Mendy – das Wusical“: Gaul und Gesang

Wirrungen. Vater und Mutter lieben sich nicht mehr, Wendy liebt Hengst Mocca, der geschlachtet werden soll.
Wirrungen. Vater und Mutter lieben sich nicht mehr, Wendy liebt Hengst Mocca, der geschlachtet werden soll.(c) Beigestellt
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Liebe, Sex und Totschlag: Ein Probenbesuch beim Theaterjahr der Jungen Burg zeigt, dass es bei Helge Schneiders „Mendy – das Wusical“ heiß hergeht.

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Tipp

Nur ein unscheinbarer Personenaufzug führt hinauf zum Lusterboden. Hier, ein wenig versteckt, direkt unterm Dach des Burgtheaters gelegen, haben sich die Teilnehmer des „Theaterjahres“ der Jungen Burg eingerichtet, um ihre Stücke zu proben. Wie ein Bienenstock mutet der Dachboden an, wenn viele junge Personen um die zwanzig umherwuseln, letzte Gegenstände für die Bühne suchen. Plötzlich kehrt Ruhe ein; konzentrierte Spannung liegt in der Luft. Vier Wochen vor  der Premiere spielen die Beteiligten die letzte Inszenierung ihres Jahres, „Mendy – das Wusical“ des deutschen Komödianten Helge Schneider, zum ersten Mal in voller Länge.

Tragik mit Musikbegleitung.
In die Mitte des Raumes stürmen nun das Mädchen Wendy mit Reitkappe, ihr Pferd Mocca mit zotteliger langer Mähne und nach und nach auch alle anderen Protagonisten. Die Bühnengestaltung – Küche, Stall und Schlachthof in einem – ist, wie auch das Spiel selbst, noch sehr improvisiert. Am  Rand des Geschehens haben einige Zuseher Platz genommen, darunter der Regisseur des Stückes, Peter Raffalt. „Der Probenprozess ist ja dafür da, alles falsch machen und ausprobieren zu dürfen“, verteidigt Raffalt das Chaos, „dennoch sind wir schon unglaublich weit.“ Tatsächlich läuft die Probe dann reibungslos ab – nur auf Inhaltsebene gibt es etliche Reibereien.

Da Helge Schneiders Stück nicht nur eine Parodie auf das Genre Musical, sondern vor allem auf die Familienidylle der bekannten Pferdezeitschrift ist, geht es im Leben von Protagonistin Wendy um mehr als nur Schulalltag und Reiten. Sie muss auch mit allerhand Wirren zurechtkommen. Ihr Vater sitzt im Rollstuhl, ihre Mutter ist auf der Suche nach Sexabenteuern, ihr Araberhengst Mocca wird von anderen Pferden gemobbt, schließlich soll er geschlachtet werden, weil er nichts taugt. Wendy opfert sich an seiner statt, der Vater will sie retten und überfährt im Zuge dessen die Mutter, die zuvor den Knecht im Affekt erschlagen hat. Dann bricht im Schlachthof ein Brand aus. Zwei Stunden lang wird auf der Bühne geliebt und geflucht, wechseln gewaltvolle Wutausbrüche mit sanfter Melancholie. „Eine hochdramatische Geschichte“, erklärt Raffalt nach der Probe, „ich sage immer, es ist eine griechische Tragödie.“ Doch es wäre kein Stück von Helge Schneider, würden die ernsten Themen nicht in überdrehten Witz verpackt sein: „Dieser übersteigerte Anti-Humor war für uns eine Herausforderung. Bei ihm arbeitet man auf eine Pointe zu, setzt sie, und es kommt ein Rohrkrepierer.“

Nach der Aufführung pausieren die Schauspieler nur kurz, dann nehmen sie auf dem Boden der Bühne Platz und beschreiben, wie sie fast täglich Schneider-Filme sehen, um auf seine Komik eingehen zu können. Anne Stein, die Wendy spielt, glaubt sogar eine Schnittmenge mit dem Wiener morbiden Humor gefunden zu haben. Vielleicht habe Schneider deshalb in Österreich so eine große Fangemeinde. Aber besonders die Verbindung von Theater und Musik hat die Akteure an dieser Bühnenfassung sofort mitgerissen.

Denn „Mendy“ sei, allen parodistischen Elementen zum Trotz, auch eine Hommage an das Musical. Die Liebe zur Musik zeigt sich während des Ablaufs etwa, wenn die exzentrische Mutter mit Leo-Print-Rock, Netzstrumpfhose und goldenen Stöckelschuhen über einen blauen Fleck jazzt, der  einsame Mocca den Blues singt, Kühe swingen, Mutter und Knecht während eines Stelldicheins im Stall eine Arie anstimmen und Wendy nachdenklich trällert: „Ach, ich armes Mädchen, was mache ich nur durch, mir geht es scheiße. Meine Mutter ist doof, sie ist total beschissen.“ Johannes Hoff mimt Wendys Mutter, er beschreibt begeistert, dass er extra Falsett gelernt hat, was für zukünftige Engagements ebenso viel bringe wie die Unterstützung von Profimusikern aus dem Haus. Hier, sind sich die Schauspieler einig, machen sie Spielerfahrung, die ihnen später bei einer Theaterkarriere helfen könne. Insgesamt verbringen sie ein Jahr an der Burg, täglich treffen sie sich zum Proben und sind auch sonst intensiv in den Alltag des Hauses eingebunden. Ihren  kreativen Freiraum loben die jungen Talente in hohen Tönen. Und nun hat sie auch noch das Helge-Schneider-Fieber gepackt.

Das Leben ist (k)ein Reiterhof. Dass Schneiders schwarzer Humor klischeehafte Typen mit ihren Problemen zeigt, findet die Gruppe auch inhaltich reizvoll. Immerhin bewegt man sich hier näher an der Realität als an der Zeitschriftenwelt.  Julian von Hansemann, der Mocca spielt, spricht für alle, wenn er sagt, dass die perfekte „Wendy“-Idylle im wirklichen Leben schlechterdings unmöglich ist. Normale Familien haben Streit: „Es ist eine bodenlose Frechheit, eine Figur zu erschaffen, die Kindern so eine Idealwelt vorgaukelt.“ Da in „Mendy“ schon die Eltern etliche Tabus brechen, rebelliert die Tochter, normalste unter allen, selbst nicht – viel lieber flüchtet sie in die Pferdewelt. Anne Stein ist früher geritten. Sie ahnt, warum so viele Mädchen Pferde lieben: Das Pferd sei eine erste Selbstständigkeit, später komme dann „Tausche Pferd gegen Freund“. So klärt sich auch, warum sich Mocca am Ende als Mensch entpuppt. „Das Haupttema“, so Raffalt, „ist die Entwicklung eines pubertierenden Mädchens.“

In erster Linie geht es aber um den Spaß, die heile Wendy-Welt aufs Korn zu nehmen. Und die Schauspieler des Theaterjahres machen das erfrischend lebendig. Langsam erheben sie sich wieder vom Boden, eine Nachbesprechung ist angesagt. Raffalt hat bei der Probe Anmerkungen mitgeschrieben, er will an den Abläufen noch einiges verbessern. Ein bisschen Chaos und Improvisation soll aber auch bei den Vorstellungen, die dann auf der Vestibül-Bühne stattfinden, nicht fehlen. Das gehört schließlich zum Schneider’schen Humor, lenkt der Regisseur ein: „Wir lachen in dem Stück ja hauptsächlich über die Missgeschicke“.

„Mendy – das Wusical“ Aufführungen der Jungen Burg am 17., 19., 22. und 23. April, 19 h, im Vestibül des Burgtheaters. www.burgtheater.at

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