Hamakom: Der Krieg und der Tod der Menschlichkeit

(C) Nestroyhof
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„Sonia Mushkat“ von Savyon Liebrecht: in dem grimmigen Stück „Die Banalität der Liebe“, wirkten nicht ganz überzeugend.

2011 zeigte die israelische Autorin Savyon Liebrecht im Hamakom im Nestroyhof „Die Banalität der Liebe“, ein psychologisch ebenso stimmiges wie grimmiges Stück u. a. über die Liebesbeziehung der Philosophen Hannah Arendt und Martin Heidegger. Seit Dienstag ist Liebrechts „Sonia Mushkat“ am gleichen Ort zu sehen: Die zwei Schwestern Paula und Lidia sowie Lidias Sohn Albert flüchten 1944 vor den Nationalsozialisten in den Keller ihres ungarischen Herrenhauses, wo sie, angewiesen auf ein Dienstmädchen, in Todesangst, bedroht von Deportation, auf das baldige Kriegsende hoffen.

Die exzentrische Lidia (großartig: Juliane Gruner), eine wahre Alphafrau, hat nur ihre Spieluhr und ihren Nerzmantel im Kopf. Nachdem sie den Ernst der Lage erfasst hat, verwandelt sie sich blitzschnell in eine schlaue Opportunistin, die ihre Angehörigen tyrannisiert und Spielchen mit dem Dienstmädchen Sonia (Katharina-Sara Huhn) spielt, das mit der noblen Familie auf eine Weise eng verknüpft ist, die sich erst allmählich enthüllt. Die praktische Paula (Babett Arens) fällt von einer Weißglut in die andere: über ihre Schwester, deren trunksüchtigen und leichtsinnigen Knaben (Dominik Raneburger), der nach der Mutter geraten ist, und über Streitigkeiten, Enthüllungen, die immer weiter eskalieren.

Bernhard, Ionesco, Ibsen gemischt

Der Text verbindet Thomas Bernhards böse Dialoge mit Ionescos Absurdität und Ibsens Realismus. Das soziale Experiment, das sich hier entfaltet, wirkt aber weniger zwingend als in „Die Banalität der Liebe“. Es erscheint mehr aus Well-made-Stereotypen gefügt.

Michael Gruner hat inszeniert, er ist ein guter Regisseur, aber seine Stilmittel verändern sich kaum. Vielleicht hätte er sich mehr trauen sollen: Die Aufführung ist zu seriös und brav geraten und wird diesen schrillen, herrischen Persönlichkeiten, die sich angesichts des Abgrunds in Karikaturen ihrer selbst verwandeln, nicht ganz gerecht – und Humor gestattet Gruner auch nur in kleinen Dosen.

Vielleicht hatte er Skrupel, Verfolgte in ihrer extremen Reaktion auf eine extreme Lage auszustellen, das ist begreiflich, aber kontraproduktiv fürs Theater. Mit 90 Minuten ist der Abend kurz – und insgesamt trotz der Einwände sehenswert; vor allem dank Juliane Gruner, die eine Weltmeisterin in der Gestaltung listiger, widerborstiger Ladys ist, die sich vom Leben niemals unterkriegen und schon gar nicht herabwürdigen lassen, und Katharina-Sara Huhns Sonia, die sich vom braven Landkind zur Furie wandelt. (bp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)

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