Margit Mezgolich: „Zu viel Geld würde mich überfordern“

Vorfreude. Margit Mezgolich, fotografiert im Wiener Theatermuseum.
Vorfreude. Margit Mezgolich, fotografiert im Wiener Theatermuseum.(c) Christine Ebenthal
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Margit Mezgolich zeigt im Herrensee-Theater in Litschau „Erben für Anfänger“ und freut sich auf ein Publikum, das auch unbequeme Stoffe verträgt.

Das Sprechtheater erlebt nach einer großen Phase der Performance-Kultur eine Renaissance. Das hängt auch damit zusammen, dass die Langsamkeit wiederentdeckt wird.“ Im Vorjahr hat Margit Mezgolich das Herrensee-Theater in Litschau übernommen. Doch in der Branche ist die 43-jährige Linzerin schon lang bekannt.

Acht Jahre war sie im Leitungsgremium des TAG, Theater an der Gumpendorfer Straße in Wien. Sie inszenierte etwa am Wiener Volkstheater, am Theater der Jugend, in Graz und zuletzt am Landestheater in Linz im Ursulinenhof ein Kinderstück, „Eye Catcher“ von Richard Hurford über die Perseus-Sage. In Litschau bringt Mezgolich heuer „Erben für Anfänger“ heraus – nach dem Roman „12 Stühle“ von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow aus dem Jahr 1928, der schon mehrmals verfilmt wurde, u. a. mit Hans Moser, Heinz Rühmann oder 1970 von Mel Brooks. Die Geschichte: Ein Mann erfährt von seiner Schwiegermutter auf dem Totenbett, dass sie in einem von zwölf Stühlen, die versteigert wurden, Juwelen versteckt hat. Auch Gauner wissen davon, alle machen sich gemeinsam auf die Jagd.

Anarchie im „Little Globe“. Mezgolich hat eine neue Fassung geschrieben, lang hat sie überlegt, ob das Stück in der Gegenwart oder in der Zukunft spielen soll. Wofür sie sich entschieden hat, verrät sie nicht. Aber: „Es wird sehr viel Slapstick geben mit vielen schrägen Figuren und grotesken Situationen. Ich möchte die Zuschauer dazu bringen, sich zu fragen, wie sie in einer solchen Situation reagieren würden“, erzählt die Autorin und Regisseurin.

„Wir nehmen heute alles als selbstverständlich. Aber was passiert, wenn z. B. jemand nach Berlin fliegt und der Flug nicht stattfindet? Was passiert, wenn Chaos und Anarchie ausbrechen? Wenn man die Jagd nach Geld oder Brillanten in einer Welt stattfinden lässt, die im Umbruch ist, tauchen Fragen auf wie: Was bedeutet Geld für uns?“

Ist auch Mezgolich eine reiche Erbin? Was bedeutet Vermögen für sie? „Ich bin keine reiche Erbin, aber ich komme aus einer wohlhabenden Arztfamilie, meine Mutter ist Psychiaterin, mein Vater war praktischer Arzt und Chirurg. Die Nöte und Ängste, wenn Geld fehlt, habe ich nicht am eigenen Leib mitbekommen. Ich weiß, dass ich in einer gesegneten Situation bin, dass meine Familie meine künstlerischen Ambitionen unterstützt hat und dass ich von meiner Arbeit leben kann. Ich denke allerdings, zu viel Geld würde mich überfordern, damit könnte ich schwer umgehen.“

Durch die Recherchen für ihr Projekt, erzählt Mezgolich, habe sie sich mit der Erbengeneration beschäftigt, aber auch mit der Frage, wie weit man gehen würde, „welche moralischen Grenzen ist man bereit zu überschreiten, um zu Geld zu kommen“. War der Abschied vom TAG, das nun Gernot Plass führt, schwer? „Nein“, sagt Mezgolich, „das lief alles sehr freundschaftlich. Es war schon lange klar, dass ich weggehe, das war ein von mir bewusst gesetzter Schritt, weil ich mich wieder verstärkt meiner Arbeit als Regisseurin widmen wollte, für die ich als Theaterleiterin viel zu wenig Zeit hatte.“

Es sei ein großer Vorteil, dass Zeno Stanek, der das Herrensee-Theater zuletzt führte, noch immer das Festival Schrammelklang betreut und jetzt Intendant in Stockerau ist, „Litschau als Platz für anspruchsvolles Sprechtheater eingeführt hat. Da konnte ich mich quasi ins gemachte Nest setzen, das Publikum ist an unbequemere Stoffe gewöhnt,“ sagt Mezgolich. Der Herrensee sei ein „unfassbar idyllisches Fleckchen, ich nenne das Theater immer ,my little globe‘, weil es ein Holzbau ist, der direkt am Wasser liegt. Nach der Vorstellung kann man draußen am Lagerfeuer sitzen.“

Kontrastprogramm Theater. Wie steht’s um die Zukunft der Bühnenkunst? „Es ist wichtig, eine stringente Geschichte zu erzählen, also keine Konzeptkunst zu machen“, sagt Mezgolich. „Trotzdem kann man alles Mögliche einarbeiten, wie wir das im TAG auch gemacht haben, Improvisation, Interviews, Überschreibung klassischer Texte, wie das Gernot Plass mit Shakespeare getan hat.“

Verändern Medien Sehgewohnheiten? „Natürlich, durch das Fernsehen, aber das ist schon eine alte Art. Ich kenne sehr viele Menschen, die ihre Abende vor dem Computer verbringen und sich mit Youtube und anderen Plattformen ihr eigenes Programm zusammenschnipseln. Trotzdem gehen die Leute gern ins Theater, was ich bewundere nach einem Zehn-Stunden-Tag. Man muss sitzen, zuhören, es ist anders als bei Musik, die man nebenbei hören oder sich seinen eigenen Film im Kopf machen kann. Musik entspannt, im Theater muss man aktiv sein, man ist anders gefordert.“

Wird sie in 20 Jahren noch Regisseurin sein? „Wenn ich dann noch lebe, ja“, sagt Mezgolich. Ihre beiden Kinder, sieben und zehn, interessieren sich auch schon für die Bühnenkunst, der Sohn hat an einem Schattentheater-Workshop im Theatermuseum teilgenommen. Mezgolich selbst ist schon mit fünf theaterspielend durch ihre heimatliche Siedlung gezogen, nachdem eine Tante ihr das Buch „Kinder machen Theater“ geschenkt hat.

Tipp

„Erben für Anfänger“ nach dem Roman „12 Stühle“ im Herrensee-Theater Litschau. Text, Regie: Margit Mezgolich, mit Doris Hindinger, Clemens Berndorff, Alexander Jagsch, Gottfried Neuner: 31. 7.–24. 8. Schrammelklang: 4.–6. 7. www.herrenseetheater.at, schrammelklang.at

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