Burgtheater: Bilanzverlust über 19 Mio. Euro

A general view of Austria´s historic Burgtheater theatre in Vienna
A general view of Austria´s historic Burgtheater theatre in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Kommenden Donnerstag soll der Aufsichtsrat die Bilanz genehmigen. Die Rückstellungen für Steuerschulden und Rechtsstreitigkeiten schlagen ganz ordentlich zu Buche.

Es ist dann doch ein bisschen mehr geworden. „Presse“-Informationen zufolge soll das Minus unter dem Strich der Burgtheater-Bilanz deutlich höher sein als bisher angenommen. Von einer „schwarzen Null“ ist das Theater offenbar über 19 Millionen weit entfernt.

Noch am 27. Februar 2014 präsentierte Georg Springer, Chef der Bundestheater-Holding und bis Ende Februar Aufsichtsratsvorsitzender der Burg, in einer Pressekonferenz weit optimistischere Zahlen. Der Bilanzverlust für das Geschäftsjahr 2012/2013 werde rund 8,3Millionen betragen. Dazu kämen noch Steuernachzahlungen von bis zu fünf Millionen Euro, erklärte er. Das Entstehen der Steuerschuld wurde „mit formalen Versäumnissen“ der entlassenen kaufmännischen Geschäftsführerin, Silvia Stantejsky, begründet. Konkret soll sie es immer wieder verabsäumt haben, die Honorare von Schauspielern, die ihren Hauptwohnsitz im Ausland haben, ordentlich zu versteuern. Nachdem die auszahlende Stelle für den korrekten Steuerabzug verantwortlich ist, muss die Burg nun für die Steuerschulden haften. Auch Sozialversicherungsbeiträge könnten noch für die Vergangenheit zu berappen sein. So mancher Werkvertrag, den das Theater mit Mitarbeitern abgeschlossen hat, könnte sich noch als Dienstvertrag entpuppen. Wie viel die Nachzahlung der Steuer und Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich ausmacht, werden das Finanzamt und die Gebietskrankenkasse entscheiden, sobald deren Mitarbeiter die Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben beendet haben. Doch mit den veranschlagten fünf Millionen dürfte das Theater nicht das Auslangen finden, glauben jedenfalls die Wirtschaftsprüfer der KPMG. Sie legen nach den Erfahrungen in der Vergangenheit wohl darauf Wert, Risken nicht zu gering zu veranschlagen. Umso mehr, als sich die KPMG von Springer und auch Ostermayer den Vorwurf gefallen lassen musste, sie hätte vielleicht schon letztes Jahr erkennen können, wie schlecht es eigentlich um das Burgtheater steht. Man hätte Schaden abwenden können, wäre das Management nur früher darauf aufmerksam gemacht worden, so die Kritik. Tatsache ist, dass voriges Jahr die KPMG erst bereit war, ein positives Testat zu geben, nachdem die bisher praktizierte Abschreibungsmethode der Produktionen radikal verändert worden war – sehr zum Missfallen von Springer. Denn er konnte erstmals nicht mehr mit einem ausgeglichenen Ergebnis aufwarten, sondern musste zähneknirschend für das Jahr 2011/12 ein Minus von 3,7 Millionen Euro präsentieren.


Prozesse dauern. Doch in zwölf Monaten kann sich vieles ändern. Heute würde die Geschäftsführung von Burg und Holding bei einem solchen Ergebnis vermutlich jubeln. Neben dem angekündigten Verlust von 8,3Millionen Euro (möglich sind auch einige 100.000 Euro mehr) und den veranschlagten acht Millionen für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge kommt noch ein weiterer Posten hinzu: „Rechtsstreitigkeiten und Anwaltskosten.“ Seit Beginn dieses Jahres ist die Burg nämlich in einige rechtliche Auseinandersetzungen verstrickt. Mit den prompt verabschiedeten Geschäftsführern Stantejsky und Matthias Hartmann sind Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängig. Die eine wie der andere haben ihre Entlassungen nämlich als ungerechtfertigt angefochten. Wie die Prozesse ausgehen werden, ist völlig offen. Fix scheint derzeit nur eines: Die Streitigkeiten werden sich hinziehen. Für einen baldigen Vergleich gibt es jedenfalls derzeit keine Anzeichen.

Noch etwas macht bilanztechnisch Kummer: Es sind die diversen Depots, die es in der Burg dort und da gegeben hat. Der Regisseur David Bösch etwa hat Stantejsky seine Regiegage von immerhin 180.000 Euro – wie auch Hartmann sein Vorbereitungshonorar – zur Verwahrung überlassen. Ob sie dabei als Privatperson oder als kaufmännische Geschäftsführerin des Hauses fungiert hat, darüber sind nun Querelen entbrannt. Bösch und Hartmann stehen auf dem Standpunkt, Stantejsky habe als Vertreterin der Burg agiert, daher schulde ihnen auch das Theater die fehlende Summe. Bekommen die beiden recht, muss die Burg abermals in die Tasche greifen. So weit werde es nicht kommen, hofft die jetzige Geschäftsführung inbrünstig. Die Wirtschaftsprüfer jedoch quantifizieren die genannten Risken mit drei Millionen Euro und hoffen, damit auf der sicheren Seite zu sein. So kommt es, dass sich ein Bilanzverlust von vermutlich mehr als 19 Millionen zusammengeläppert hat, denen bloß 9,3Millionen an Eigenkapital gegenüberstehen. Ein besorgniserregendes Verhältnis. Dass die Burg trotzdem einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk von den Prüfern bekommen dürfte, heißt, dass die Geschäftsführung es wohl geschafft hat, eine positive Fortbestandsprognose vorzulegen. Dafür wurden in den letzten Wochen alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt: Die Bundestheater-Holding hat – das hat es zuvor noch nie gegeben – für ihre Tochter eine Patronatserklärung in der Höhe von zehn Millionen Euro abgegeben.

Und in den vergangenen Tagen hat der Aufsichtsrat den Verkauf der Probebühne an das Schwesterunternehmen Art for Art gebilligt. So kommt endlich Geld in die Kassa. Auch die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur tut das ihre, um die drohenden Liquiditätsprobleme zu lösen: Sie springt dem Theater mit einem günstigen Kredit zur Seite, nachdem die Hausbank Bawag/PSK nicht mehr bereit war, den Kreditrahmen zu erstrecken.

Überblick

Nachdem das Burgtheater die Jahre zuvor ausgeglichen bilanziert hatte, musste das Haus das Geschäftsjahr 2011/12mit einem Minus von 3,7 Millionen Euro abschließen. Der neue Wirtschaftsprüfer der Burg, die KPMG, weigerte sich nämlich, die bisher praktizierte Abschreibungsmethodik für Produktionen zu akzeptieren. Schon bevor das Ergebnis im März 2013 präsentiert wurde, hatte die damalige kaufmännische Geschäftsführerin, Silvia Stantejsky, bekannt gegeben, nicht mehr für die Position zur Verfügung zu stehen. Seit Oktober 2013 hat Thomas Königstorfer die Funktion übernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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