Winston Churchill: Auch als Sonntagsmaler ein Stratege

'Kaufen Sie sich einen Malkasten, probieren Sie!' Winston Churchill, Selbstporträt.
'Kaufen Sie sich einen Malkasten, probieren Sie!' Winston Churchill, Selbstporträt.(c) Katalog
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Winston Churchill wird im Stockholmer Nobelmuseum in zwei weniger bekannten Rollen vorgestellt: als Maler und Literat. Auch hier folgte er politischen Erfahrungen: Konzept, starke Reserve.

Nichts tun oder gar golfen im Urlaub? Winston Churchill hielt nichts davon. Er war Workaholic, als Journalist, Historiker und Politiker. Wenn er sich Freizeit genehmigte, dann malte er. Im Gegensatz zu seiner kreativen Schreibtätigkeit bezeichnete er das allerdings „nur“ als amateurhaften Zeitvertreib. Was das genau heißt, zeigt (in Reproduktionen) jetzt eine Ausstellung im Stockholmer Nobelmuseum. Kein zufällig gewählter Ort: Churchill, zweimal für den Friedensnobelpreis nominiert, erhielt schließlich 1953 den Literaturnobelpreis. Die Schau widmet sich freilich beiden Tätigkeiten, für die der Politiker nicht weltberühmt wurde: als Maler und als Schriftsteller.

Das Schreiben zieht sich wie ein roter Faden durch Churchills Leben. Er brachte seine Reden als Premierminister selbst zu Papier, schrieb historische und autobiografische Texte und machte sich schreibend Gedanken über das Schreiben: „Ein Buch zu schreiben ist ein Abenteuer... es beginnt spielerisch, vergnüglich, doch das Ganze entwickelt sich zum Tyrannen und schließlich tötet man das ,Ungeheuer‘ Buch, indem man es auf das Publikum loslässt...“

Leuchtend! Keine „ärmlichen Brauntöne“

Das Malen sah er entspannter, wiewohl er Parallelen ortete. Für beides, das Konzipieren eines Textes wie die Komposition eines Bildes, musste man sich seiner Meinung nach vorher genau beobachtend mit der Realität auseinandergesetzt haben. Churchills Erzählstil konnte sehr anschaulich und blumig sein. Doch nur in der Malerei konnte er auch visuell schwelgen – Churchill liebte die Farben leuchtend. Für „ärmliche Brauntöne“ hatte er nichts übrig, so sprach er als Freizeitmaler, nicht als Politiker!

Das strategische Denken konnte Churchill auch als Sonntagsmaler nicht ausblenden. Für ein gelungenes Bild brauchte man seiner Meinung nach dasselbe wie für einen Schlachtensieg: ein Konzept und eine starke Reserve. Das Konzept des Kriegsherrn umfasst die detaillierte Kenntnis geografischer Gegebenheiten wie der Truppenstärke des Gegners. Der Maler muss seinen Gegenstand kennen – und Churchill malte streng gegenständlich, obwohl sich seine Profizeitgenossen längst abstrakt ausdrückten.

Das Studium der Strategie großer Befehlshaber und Kriegsherren war für den Premierminister Churchill unabdingbar. Als Hobbymaler besuchte er die europäischen Galerien. Und die „Reserve“ des Malers? Darin hatte er die Grundkenntnisse von Proportion und Raumwirkung – also das handwerkliche ABC des Künstlers – erkannt, den Knackpunkt, an dem Betrachter den Amateur vom Profi zu unterscheiden pflegen.

Churchills erste Malversuche datieren aus 1915. Der 41-Jährige war nicht mehr Marineminister, blieb jedoch Mitglied des Kabinetts und des Kriegsrates. Mit der für ihn typischen Selbstironie beschrieb er die Position: „Ich wusste alles. Und konnte nichts tun.“ Churchill war gezwungen, den Verlauf des Ersten Weltkriegs zu beobachten, ohne eingreifen zu können. Die Entdeckung der Malerei mag eine Flucht gewesen sein, jedenfalls eröffnete sie ihm eine neue Welt. Eines Sonntagmorgens auf dem Land begann er mit den Malkästen seiner Kinder zu experimentieren. Es entwickelte sich eine lebenslängliche Leidenschaft, die jedoch auf das Darstellen mit Ölfarben beschränkt blieb; denn nur mit dieser Technik konnte man alles wieder revidieren und übermalen, ungeschehen machen. Eine Technik, die in der Politik nicht möglich war...

Malen, schwärmte der „Jungkünstler“ (er war über 40 und der Überzeugung, in diesem Alter könne man nur noch Autodidakt sein), sei die perfekte Zerstreuung. „Ich kenne nichts, außer körperlicher Erschöpfung, was den Geist besser reinigt. Welche Gegenwartssorgen oder Zukunftsschrecken auch immer uns quälen mögen, kaum haben wir mit einem Bild begonnen, ist kein Raum mehr im Kopf für alle Sorgen.“

Kitschige Sonnenuntergänge

Churchill bannte unterschiedlichste Sujets auf Leinwand, ein Stillleben mit Stehlampe und diversen Alkoholflaschen, die seine Kinder im ganzen Haus zusammengesammelt haben sollen, kitschige Sonnenuntergangsszenen in Monte Carlo, Veduten aus Marrakesch und ein Porträt seiner Ehefrau Clementine. Dieses basierte auf einer Fotografie, die mitten im Krieg, 1940, anlässlich des Stapellaufs der „HMS Indomitable“ aufgenommen wurde. Da Churchill während des Kriegs anders als malend beschäftigt war, verewigte er Mrs. Churchill 1955 in Öl – nach dem Foto.

Aber auch die Innenausstattung von Schloss Blenheim – hier wuchs Churchill im Anwesen seines Großvaters, des siebenten Herzogs von Marlborough, auf – sind in leuchtenden Grüntönen, unter Beimischung von Türkis und, trotz des Verdikts, erstaunlich viel Braun, festgehalten.

Churchills Freizeitverhalten war typisch für alle, die nie abschalten können. Seine Entspannung bestand darin, die Energien während der beruflichen Pausen auf einen Gegenstand zu lenken, der außerhalb der Alltagswelt lag. Einfach dazuliegen und an nichts zu denken galt einem Geist wie Churchill als „pointless“. Daher seine Urlaubsempfehlung: „Kaufen Sie sich einen Malkasten, probieren Sie!“

Bis Ende August; www.nobelmuseum.se.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2007)

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