Karikaturenstreit, die Zweite: Nur Mohammed, den sieht man nicht

''Neonazi-Anführer haben Mundgeruch''
''Neonazi-Anführer haben Mundgeruch''(c) Surrend
  • Drucken

Dänische Künstler zeigen im Museumsquartier, dass nichts heilig ist, während Moslems ihre Berliner Ausstellung stören.

Ich kann nicht nach Wien kommen“, sagte Jan Egesborg, Gründer der Künstlergruppe Surrend, schon Donnerstagmorgen. „Aufgebrachte Muslime“ haben seine Ausstellung im Berliner Kunstverein Tiergarten gestört, er hält die Stellung an der Spree. Schon wieder ein Däne als Moslemschreck: Eben hatte das erneute Abdrucken der Mohammed-Karikaturen aus 2005 – als Reaktion auf einen vereitelten Anschlag auf den Zeichner Kurt Westergaard – in der muslimischen Welt erneut empörte Proteste ausgelöst.

Auge um Auge, Zahn auf Zahn: Die dänische Regierung hat am Freitag beschlossen, dem Sudan einen Schuldenerlass von zwei Milliarden Kronen (268Millionen Euro) wieder zu streichen. In dem afrikanischen Land hatte man wegen des Cartoon-Reprints zum Boykott dänischer Produkte aufgerufen.

Freiheit? Schreiben, aber nicht leben

Dabei herrscht selbst in Europa die Doppelmoral, siehe die voreilige Absetzung von Mozarts „Idomeneo“ in Berlin 2006: Die Deutsche Oper zog eine Inszenierung, in der in einer Szene die abgeschlagenen Köpfe der Religionsführer, darunter Mohammed, erst zurück – Selbstzensur! –, zeigte sie dann aber doch. In Wien beteuert man auf bedeutenden Gebäuden zwar „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ und „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ – Freiheit von einer Macht, ob politisch oder religiös, meinte Schiller wie Bahr. Gelebt wird diese Liberalität aber nicht. „Erschießt Putin“, forderte Surrend 2007, als Wladimir Wladimirowitsch Wien besuchte. Dabei stand klein gedruckt „Journalisten?“. Egesborg, der Poster mit Putin im Fadenkreuz in der Stadt affichierte, wurde für mehrere Stunden festgenommen.

„Satirische Kunst ist dieser Tage gefährlich“, berichtet Egesborg der „Presse“ am Telefon aus Berlin. Surrend stehe politisch weder rechts noch links. „Wir machen auch Satire über Juden“ – Egesborg selbst ist jüdischer Herkunft. Er beharrt auf Meinungsfreiheit, gerade auf beleidigende, kritisierende, denn: „Die Idee der Demokratie verschwindet sonst.“ Zeit also für einen zweiten Anlauf in Österreich: mit „Nichts ist heilig“ (Freiraum im Quartier21, Museumsquartier, täglich 10–20 Uhr, bis 24.März). Neben Plakaten von Surrend haben dort u.a. „Falter“-Karikaturist Rudi Klein und das deutsche Satiremagazin „Titanic“ (Cover aus 1999: „Schöne Scheiße: Der Papst ist tot (fast)!“) zum Echauffieren beigetragen. Mitherausgeber Martin Sonneborn erzählt der „Presse“ von britischen Beschimpfungen, die er 2007 hinnehmen musste: „Titanic“ hatte das Gesicht der verschwundenen Maddie auf „Kinder“-Schokolade montiert und im eigenen Blatt inseriert.

Dennoch: Plakate, Zeitungsseiten, Karikaturen wirken – nicht in freier Wildbahn, sondern mit einem Dach über dem Kopf – gezähmt, weil als Kunst ausgeschildert. Sind deshalb aber nicht geschützter: Am Donnerstag stürmten Moslems die Berliner Surrend-Ausstellung und verlangten, das eine auf den Islam bezogene Plakat abzunehmen. Darauf wird die Kaaba in Mekka als „Dummer Stein“ bezeichnet. Die Schau wurde geschlossen, die Polizei arbeitet an einem Sicherheitskonzept, man will schnellstmöglich wieder öffnen.

Harald Schmidt zeigte in seiner Late-Night-Show am Donnerstag „Dalaidikt Benelama“, eine Fotomontage aus katholischem und buddhistischem Religionsführer. Das mutmaßlich überwiegend christliche Publikum lachte. Hängt die Konfession etwa mit dem Verständnis für Satire zusammen?

Am Freitag erreichte man unter Jan Egesborgs Handynummer bloß seine dänische Mobilbox. Keine Panik: Ein Kollege versicherte, er sei in Kontakt mit ihm, man habe ihn an einen „sicheren Ort“ gebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.