Kritik: Volkstheater: Lost in Transition

Revolte auf Rumänisch: „Stop the Tempo!“ will die Welt verändern und könnte die Jugend ins Theater locken.

Nach der Wende ist vor dem Kollaps. Rumänien boomt, der Lautsprecher brummt. Schnelle Musik, schneller Sex, schnell nach oben. Dahinter lauert das Nichts. Der Job stiftet keinen Sinn, der Chatroom keine Nähe. Identität? Nicht mehr als der Steckbrief im Personalausweis. Die Freiheit frisst ihre Kinder, ohne dass sie es merken.

Gäbe es da nicht junge Dramatikerinnen wie Gianina Carbunariu, die kleine Revolten anzettelt. Seit vier Jahren schickt sie ihren Aufruf „Stop the Tempo!“ auch über Bühnen des Westens. Nun ist er im schwarz-weißen Salon des Volkstheaters gelandet. Mit ihm drei Partisanen der Nacht: Maria (Annette Isabella Holzmann), Paula (Katharina Vötter) und Ronaldo (Thomas Meczele). Sie stehen bei der großen Party am Rande der Tanzfläche. Doch ihre Revolte ist so ziellos wie ihr Leben. In den Kellern der Klubs reißen sie die Sicherungen heraus. Stopp! Stille! Und Panik. Vielleicht ist sie ja Keimzelle von etwas Neuem, das mehr Sinn macht. Musik aus, Hirne an. Das erinnert an Hans Weingartners Erfolgsfilm „Die fetten Jahre sind vorbei“. Hier wie dort: die Revolution als Sandkastenspiel. Sympathisch, jugendfrei, wirkungslos. Aber irgendwie cool.

Ist Rumänien also aufgerückt zur fröhlichen Postmoderne, zur Kritik in leckeren Häppchen? Nein, da bricht auch einen neue Beat Generation auf. Wie Kerouak und Konsorten glauben Carbunarius Helden an eine Heimat jenseits von Vorstadtidylle und durchgeplantem Lebenslauf: „Wir haben noch eine Menge vor in diesem Land.“

Diese Bezüge machen das Stück spannend. Leider wird es hier schlecht dotiert: Katrin Hiller darf im Dachkammerl nur eine halbherzige szenische Lesung umsetzen. Man spürt: Die jungen Schauspieler identifizieren sich mit ihren Rollen. Doch Frust und Wut können sich hinterm Lesepult schwer entladen. Also bitte, liebes Volkstheater, fürs nächste Mal: auf die Bühne damit, ausinszenieren, Schulklassen einladen. „Stop the Tempo“ ist für die garantiert ein heißerer Stoff als Lessing und Nestroy.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2008)

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