Heiße Lippen in der Kaiserstadt: »Giuditta« wie sie glüht und trotzt

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An der Sommerarena feierte Sebastian Reinthaller einen gelungenen Einstand als Intendant in Baden. In der Rolle des Octavio hat er in Franz Lehárs letzter Operette mit Bibiana Nwobilo eine attraktive Giuditta zur Seite.

Noch bevor es richtig losgeht, greift der ehemalige Hauptmann zur Waffe und hält sie sich an den Kopf. Ehe er aber abdrückt, geht der Vorhang wieder zu. Kein Happy End, das hier versprochen wird, in dieser Geschichte über Liebe, Pflicht und Treue. Giuditta, das ist kein einfältiges Turteltäubchen, sondern eine selbstbewusste, glühende Schönheit, die bedingungslos begehrt werden will: „Wem mein Herz gehört, der muss mir ganz gehören“, singt sie, als sie ihre große Liebe längst verloren hat und sich als Tänzerin in einem Nachtlokal über Wasser hält. Trotzig schmettert Bibiana Nwobilo da ihr „Meine Lippen, sie küssen so heiß“ ins Auditorium – und erweist sich mit ihrem weichen Sopran auch stimmlich als höchst attraktive Interpretin dieser anspruchsvollen Rolle. Sie blüht im Verlauf des Stückes von der unglücklichen Ehefrau im Hängekleid zur innerlich strahlenden Geliebten auf, um am Ende als Femme fatale ihre innere Verzweiflung hinter der glamourösen Fassade eleganter Roben zu verstecken (Kostüme: Friederike Friedrich).

Ihr zur Seite: Sebastian Reinthaller, der neue Intendant der Bühne Baden, der in der Rolle des Octavio den Weg vom Verehrer zum Gebrochenen zu nehmen hat. Sein hoffnungsfroh und lupenrein vorgetragenes „Freunde, das Leben ist lebenswert!“ ist der zweite Ohrwurm dieser Operette – und Reinthaller versteht es, sein Publikum vom Fleck weg zu begeistern. Zwar fehlt seinem etwas statischen Spiel der emotionale Nachdruck, aber die stimmliche Harmonie zwischen Reinthaller und Nwobilo lässt den Zuschauer an die große Liebe – und an die Verzweiflung – glauben. Als Octavio und Giuditta einander zum ersten Mal küssen, pfeift jemand im Publikum anerkennend. Die Zuschauer sind hörbar zufriedenen.

Eine Jalousie als Schanigarten. Das musikalisch wie schauspielerisch charmante Buffo-Paar – Laura Scherwitzl als Anita, Alexander Voigt als Pierrino – macht einen sogar glauben, es würde sich hier tatsächlich um jene „Musikalische Komödie“ handeln, als die Lehár „Giuditta“ erstaunlicherweise bezeichnet hat. Regisseur Dominik Wilgenbus gibt den beiden zwischen den mitunter ein wenig langatmigen Dialogphasen immer wieder die Chance, Kurzweil zu verbreiten – wie auch Sebastian Huppmann, der als Professor Martini für verschrobene Komik sorgt. Das Bühnenbild von Johannes Leitgeb besticht durch reduzierte Ästhetik und Funktionalität: Eine Art Jalousie aus Brettern wird bei ihm flugs zum Schanigarten (und erinnert doch schon an die nahende Überfahrt der Protagonisten mit dem Schiff). Zwei Leisten Schilf machen die afrikanische Savanne aus, und vom Schnürboden herabschwebende Leinwände werden flugs zu einfachen Zelten, durch die man im Schattenspiel die Soldaten erahnen kann, während Octavio zwischen Liebe und Soldatenpflicht hin und her gerissen ist.

Das Orchester unter der Leitung von Franz Josef Breznik führt das Ensemble sicher durch die amourösen Turbulenzen. Die Tänzer (Choreografie: Bohdana Szivacz) bleiben bedauerlicher weise weitgehend im Hintergrund, einzig Natalia Bolzer darf als Lolitta im Nachtlokal ein wenig aus sich herausgehen. Da ist es um den armen Octavio schon längst geschehen: „Mein armes Herz, es liebt nicht mehr“, singt er bekümmert. Kein Happy End, aber ein erbaulicher Operettenabend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2014)

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