Theater Stockerau: In der Irrenanstalt von anno dazumal

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„Einer flog über das Kuckucksnest“: verbrauchtes Stück, tadellos gespielt.

Die Freiheit der Kunst gebiert Ungeheuer. Dieser Kalauer fällt einem bei der Betrachtung von „Einer flog über das Kuckucksnest“ bei den Festspielen in Stockerau ein. Klar, im Sommertheater muss es auch ernstere Stoffe geben, aber nicht unbedingt die Revitalisierung eines derart bekannten Films, dessen Geschichte Patina angesetzt hat. Ken Keseys Roman ist von 1962, Dale Wassermans Drama von 1963 und Miloš Formans Verfilmung von 1975. Seither hat sich in der Psychiatrie viel, ja beinahe alles verändert.

Trotzdem gibt es Missstände, die man aufgreifen könnte: mit einem neuen Stück. Dieses kratzt keinen. Bereits über den Film urteilt das Internationale Filmlexikon: „Eine unterhaltsame Tragikomödie, überzeugend in der Schauspielerführung und Milieuzeichnung, aber fragwürdig in der oberflächlichen, auf Lach- und Schockeffekte spekulierenden Schilderung des ,Irrsinns‘.“ Genau so ist es.

Zeno Stanek hat in Stockerau inszeniert. Gespielt wird in einem Käfig, es gibt einige unheimliche Szenen von der Nachtseite der Seele, der Welt – und viel Schwarz-Weiß-Malerei, hie das sadistische oder opportunistische Pflegepersonal, da die witzigen, traurigen, grotesken, insgesamt sympathischen „Irren“, die wir aus alten Irren-Witzen kennen. Kommt ein Irrer mit einem Zahnbürstel...

2015: „Don Camillo und Peppone“

Stanek führt das beachtliche Ensemble straff und sicher. Jack Nicholson begründete mit dem „Kuckucksnest“ seinen Ruhm, seither lebt er von Varianten der Rolle des Macho mit goldenem Herzen. Klaus Huhle kopiert als Psychiatrierebell Randie den Hollywood-Star mit viel Temperament. Die stärkste Ausstrahlung hat der „Indianer-Häuptling“ Bromden (Horst Heiss), ein stummer Hüne, der, von Randie ermutigt, auftaut und gewaltige Erzählungen in seinem grauen Schädel birgt. Karl Ferdinand Kratzls Komik als Scanlon, der eine Bombe baut, um die Welt in die Luft zu sprengen, wirkt schon allzu routiniert. Exakt: Elke Hartmann als tyrannische Oberschwester Ratched.

Schlimm an diesem Abend ist nur die billig überzeichnete Szene mit den Huren im Irrenhaus. Sind dem Regisseur Bedenken gekommen, dass die Sache zu schwer werden könnte? 2015 will Stanek seine zweifellos reichen Gaben in „Don Camillo und Peppone“ investieren, was auf jeden Fall leichter wird. (bp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2014)

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