Wiener Festwochen: Unverständnis für Frie Leysens Vorwürfe

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Visionslosigkeit und zu geringes Arbeitspensum der Mitarbeiter hat die scheidende Schauspieldirektorin dem Festival vorgeworfen. Auf diese massive Kritik reagiert Präsident Rudolf Scholten verblüfft bis betroffen.

Den Wiener Festwochen fehle jede Vision; ihre Geschäftsführung sei ein „feudalistisches System, das nach der Devise ,Divide et impera‘ verfährt, mit wenig Interesse für Künste und Künstler“; es gebe kein „Organigramm mit einer klaren Darstellung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten“; das Team sei viel zu groß und das Arbeitspensum der Mitarbeiter „viel zu gering“: Mit solchen massiven Vorwürfen wandte sich Frie Leysen, die scheidende Schauspieldirektorin der Festwochen, via „Profil“ an Rudolf Scholten, den Aufsichtsratspräsidenten der Festwochen. Titel ihres offenen Briefs war „Warum ich die Festwochen verlassen habe“ – die „Profil“-Redaktion wählte ein knalligeres Zitat aus Leysens Schreiben als Überschrift: „Völliges Versagen“.

Leysen hatte noch vor Beginn der Festwochen, am 5.März 2014, überraschend ihren vorzeitigen Rückzug nach nur einer Saison bekannt gegeben. Schon bald wurde klar, dass sie nicht, wie's zuerst in der üblichen Phraseologie hieß, „im besten beiderseitigen Einvernehmen“ und nur auf der Suche nach „beruflicher Veränderung“ die Festwochen verließ, dass sie nicht ohne Streit ging. Doch trotz etlicher Interviews in etlichen Medien wurde nie so recht klar, worin eigentlich die Meinungsunterschiede zwischen ihr und Intendant Markus Hinterhäuser bestehen sollen, zumal sie ihr Programm weitgehend verwirklichen konnte.

Leysen: „Kuschelecke verlassen“

Auch im „Profil“ lobt Leysen die „Qualität des künstlerischen Programms“ selbstzufrieden als „sehr hoch“, die Reaktion der Presse sei „enthusiastisch“ gewesen. Ansonst nennt sie nur das Festival von Avignon als Vorbild und verwendet eher unkonkrete Phrasen wie, dass ein „künstlerisches Projekt“ sich ständig „selbst infrage stellen und seine Arbeitsweisen hinterfragen“ müsse. Die Festwochen müssten, so Leysen weiter, „die Kuschelecke etablierter Bahnen des Denkens und Handelns verlassen“.

Wirklich konkret scheint nur ihr Vorwurf, das Team arbeite zu wenig. Darauf antwortete nun Betriebsrätin Melanie Jamnig, ebenfalls in einem offenen Brief: „Jetzt lesen wir mit großer Verwunderung in der aktuellen Ausgabe von ,Profil‘ deinen offenen Brief an Herrn Dr. Scholten und fragen uns: Wie haben wir diese Erfolgssaison geschafft, wenn unser Arbeitspensum so gering und unser Arbeitsstil so ineffizient war? Wohin jetzt mit deinem vielen Lob und deinen anerkennenden Worten, die du uns immer wieder gesagt hast? Wie war deine herzliche Verabschiedung von uns gemeint? Was sollen wir von alldem halten, vor allem da du – wie wir jetzt deinem Brief entnehmen – bereits am Beginn unserer Zusammenarbeit im September 2013 beschlossen hast, die Wiener Festwochen zu verlassen?“

Weniger persönlich betroffen, aber betont verbindlich klingt die Antwort von Präsident Scholten: Die kaufmännische Leitung biete „maximale Sicherheit dafür, dass bei den Festwochen mit dem gar nicht so opulenten Budget sehr präzise und vorsichtig umgegangen wurde und wird“. Den Vorwurf der Visionslosigkeit halte er für „ungerecht“. Er selbst habe „zu kaum einem Thema der Festwochen so viel Zeit und Energie aufgewendet wie zur Frage, was die grundsätzliche Rolle eines sich nicht an Fremdenverkehrszahlen orientierenden Festivals in einer sich rasch verändernden Stadt wie Wien ist“. Und er betont, dass die Festwochen kein elitäres Festival sein sollen: „Es kann uns – unabhängig von Auslastungserfolgen – nicht gleichgültig sein, wenn wir einen großen Teil der in dieser Stadt lebenden Menschen nicht oder nur sehr sporadisch erreichen können.“ Er danke ihr nochmals und wünsche ihr „von Herzen alles Gute“. (APA/tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2014)

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