Josef K., ein junger Manager in der Bredouille

„Der Process“,
„Der Process“,Festspiele Reichenau
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„Der Process“, eine sehenswerte Performance in Reichenau. Sie schloss den überwiegend gelungenen Premierenreigen der Festspiele ab.

Es war gut, Kafkas „Process“, entgegen der ursprünglichen Planung, nicht mit der Biografie des Dichters, der Lösung seiner Verlobung mit Felice Bauer, zu verknüpfen. Zu vielschichtig ist das Buch. Renate Loidolts Performance, die Samstag im Neuen Raum des Reichenauer Theaters Premiere hatte, beschränkt sich auf wichtige Stationen des Werkes. Sie schloss den überwiegend gelungenen Premierenreigen der Festspiele ab.

Dominik Raneburger gibt Josef K., der eines Morgens verhaftet wird: Ein zorniger junger Mann, Karrierist, erster Prokurist einer Bank, eilt halb angezogen aus seinem Schlafzimmer, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass er verhaftet ist. Zunächst begehrt er selbstbewusst auf, doch alsbald verschwindet er in einem Strudel immer neuer Absurditäten und wird immer schwächer. Joseph Lorenz spielt den Erzähler bzw. konturiert trocken und prägnant das schauerliche System, das Josef K. in seinen Klauen hält: etwa den Onkel, der um den guten Ruf der Familie fürchtet, den Advokaten, der Josef K. nicht hilft, aber umso ausführlicher belehrt, den skurrilen Maler und den Gefängniskaplan; als solcher rezitiert Lorenz die berühmteste Passage aus dem „Process“, die Parabel vom Türhüter.

Ein Frauenheld wider Willen

Deutlicher als sonst erscheinen die Frauengeschichten, gestaltet von der hinreißenden Chris Pichler. Als Fräulein Bürstner lässt sie sich halb willig abknutschen, als Leni, Sekretärin, Pflegerin des kranken Advokaten, greift sie sich kokett und nymphomanisch dessen Klienten. Josef K. ist hier nicht nur ein Getriebener, sondern auch ein Opfer der Frauen, das gibt der strengen Geschichte Farbe.

Helmut T. Stippich spielt Klavier, John Lloyd Davies zeichnet Käfige mit Licht – und Peter Loidolts Kafka-Prozess-Zyklus, an die Wände des Raumes projiziert, sorgt für karikaturistisch-unheimliche Akzente. Warum muss man Kafka-Romane auf die Bühne bringen? Wahrscheinlich, weil die Bücher bei all ihrer imposanten Bedeutung – psychologisch, politisch, religiös – mühselig zu lesen sind. Etwas vom Nimbus des Originals geht im Theater aber fast immer verloren. Zuletzt war bei den Festwochen Andreas Kriegenburgs kühle, bilderstarke Münchner „Process“-Version zu sehen. Doch auch empathisch und sprachzentriert wie in Reichenau kann man es machen. (bp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2014)

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