Rollenspiele oder: "Rette ein Pferd und reite einen Cowboy"

Bulgarian dancer and choreographer Dimchev attends a news conference in Vienna
Bulgarian dancer and choreographer Dimchev attends a news conference in ViennaREUTERS
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Let's dance im Gender-Dschungel: Von der französisch-kanadischen Tänzerin Marie Chouinard als Faun zu An Kaler und Trajal Harrell.

Eine der ersten Tänzerinnen, der nach dem II. Weltkrieg Hose oder Rock gleich gut waren – und sind – ist die Kanadierin Marie Chouinard, die mit ihrer Compagnie auch öfter in Europa zu Gast war. Sie tanzt, wie eines ihrer Stücke heißt, „einen schwarz gekleideten Mann, der einen Revolver trägt“, und eine provokante Variation von Nijinskys Faun: mit rotglühendem Penis.

Performer spielen gern mit der geschlechtlichen (Un-)Eindeutigkeit. Die in Berlin lebende Österreicherin An Kaler beschäftigte sich schon in ihrem ersten Stück vor fünf Jahren mit dem Gender-Thema. In „Save a horse and ride a cowboy“ befasst sich die androgyne Künstlerin mit einem Prototyp des Machismo. Bei ImPulsTanz zeigt sie heuer ein Stück aus ihrer Serie „Orientierung“. Ein Gegenbild zu Kaler ist Trajal Harrell. Der Afroamerikaner aus Georgia demontiert amüsant Geschlechterrollen, er zeigt seinen Spaß am Verkleiden, löst Grenzen zwischen den Geschlechtern ebenso wie zwischen Darstellern und Zuschauern auf.

Die in Wien tätigen polnischen Performerinnen Magdalene Chowaniez und Agata Maskiewicz, sind auch Don Kiewicz & Sancho Waniec, sie machen die Bühne zur Baustelle, wo sie wie die Männer schuften. Die schottische Performerin Diana Torr ist zugleich „Eric“, der „Drag King“ und unterrichtet Frauen seit 25 Jahren im Mannsein („Man for a Day-Workshop“). Die österreichische Choreografin (und Biotechnologin) Doris Stelzer eröffnet in ihrem „gender jungle – wo/man“ erstaunliche und komische Perspektiven, wenn Männer weibliche Gesten und Bewegungen zeigen und Frauen den Macho hervorkehren.

Bei ImPulsTanz 2013 zeigte die philippinische Tänzerin und Choreografin Eisa Jocson als „Macho Dancer“ ein „drittes Geschlecht“. Sie imitierte in ihrem Solo die Posen philippinischer Tänzer, die in heißen Shows vor Männern und Frauen ihren Körper zur Schau stellen. Ein Spiel mit doppeltem Boden: Eine Frau spielt einen Mann, der den Starken spielt, obwohl er nur ein erotisches Objekt ist und sich bald wieder unten auf der sozialen Leiter findet. In ihrer Heimat darf Jocson den Macho-Tanz nicht zeigen.

Frauen eroberten den Hip-Hop. Mit der Zulassung von Frauen zu Breakdance-Wettbewerben hat auch die in den 1980ern nur von jungen Männern beherrschte urbane Tanzform die Geschlechtergrenzen aufgehoben. Die Oberösterreicherin Silke Grabinger hat ihre Karriere als Breakdancerin begonnen und durchgesetzt, dass neben den „B-Boy Battles“ auch Wettbewerbe für „B-Girls“ ausgeschrieben wurden. 2001 gewann sie „mit den coolen Bewegungen der Jungs“ den ersten Platz beim internationalen „B-Girl Battle“ in Berlin. Die an der Ballettschule der Staatsoper ausgebildete Tänzerin Nina Kripas, die in Workshops von ImPulsTanz ihre Liebe zum Hip-Hop entdeckte, bereist als Choreografin und Dozentin die ganze Welt und leitet bei ImPulsTanz heuer wieder einen Workshop. Urban Dance, der vor zwanzig, dreißig Jahren ein soziales Anliegen hatte, etwa auf den Straßen Manhattans oder der Bronx, hat inzwischen einen starken Wettkampf-Aspekt. Die Sieger steigen auf. Es geht um den künstlerischen, sportlichen Ruf. Da wollen die Frauen auch dabei sein. Natürlich in Hosen.

ImPuls-Tanz

An Kaler
zeigt beim Festival ihr Stück „Contingencies“ (29. und 31. Juli)

Ivo Dimchev
ist mit „Fest“ (1.8.) und „Icure“ (4. und 6.8.) vertreten.

Magdalena Chowaniez
lässt in „Attan bleibt bei uns“ Asylwerber tanzen (9. und 10.8.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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