„Orpheus“: Schunkeln für Frankophile

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Jazzgenie Django Reinhardt steht von den Toten auf, um als griechischer Barde das Publikum des Young Directors Project zu erfreuen: Eine furiose Music-Comedy mit dem Little Bulb Theatre.

Warum können Musicals nicht mehr wie Music Comedies sein? Was hat die beiden Genres entzweit, die ursprünglich nah beieinander waren, mit originellen Melodien auf der Höhe der Zeit, witzigen Texten und Plots? Das Musical hat sich im Kommerz verheddert, im Business, im Recycling. Auch „Orpheus“ vom britischen Little Bulb Theatre, seit Montag im Salzburger Republic zu Gast, bedient sich alter Formen, der Kleinkunst, des Varietés. Doch verbraucht wirkt hier nichts.

Allein die Virtuosität der Künstler ist staunenswert: Sie musizieren, spielen, singen. Ihre irre Lust an der Sache wirkt ansteckend. Man möchte gleich aufspringen und mittanzen. Ein lauschiges Etablissement im Paris der 1930er-Jahre widmet sich Orpheus und Eurydike, einmal in aller Kürze, einmal länger burlesk ausgeführt. Die Protagonisten sind die Conférencière und Flötistin (Eugenie Pastor), geformt nach der Chanteuse Yvette Papin und Django Reinhardt (1910–1953). Der belgische Sinti, der mit 18 Jahren beinahe in seinem Wohnwagen verbrannt wäre und im II. Weltkrieg in Paris nur knapp der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entkam, spielte infolge der Verletzung bei dem Feuer nur mit drei Fingern seiner Greifhand Gitarre. Er brachte den Jazz nach Paris und inspirierte sogar US-Jazzer.

Chanson, große Oper, Parodie, Masken

Sein unverwechselbarer Stil entstand durch Genre-Mischung (New-Orleans-Jazz, Valses Musettes, Roma-Musik), Rasanz und Temperament. Dominic Conway zeigt Reinhardt als Orpheus und konturiert eine Art Abstraktion des Gitarrenvirtuosen mit Würde und zurückhaltender Komik. Die Music Comedy, die Alexander Scott inszeniert hat, der auch Klarinette spielt, entfacht in etwa 95 Minuten ein echtes Feuerwerk: Eben noch hat Eugenie Pastor als leicht maskuline Entertainerin mit großen Gesten das Auditorium auf das Spektakel eingestimmt, schon sitzt sie als Eurydike auf einem Podest, eine dicke Schlange wie aus der „Zauberflöte“ erscheint, beißt sie, und sie muss hinab in die Unterwelt, in der eine klagende Persephone „Gott-Gatte“ Hades anfleht, die „Schwester im Leid“ freizulassen. Doch Orpheus blickt sich um, und Eurydike muss in der Unterwelt bleiben.

Trotzdem gibt es hier ein überraschendes Happy End für die Geschichte . . . Durch die Sprach-, die Rollenwechsel der Akteure, die Musik, mal Chanson – v. a. vieles von Edith Piaf, u. a. Ohrwürmer wie „Les Feuilles Mortes“ von Jacques Prévert –, mal Oper, die putzige Optik mit den Tieren, die dem Gesang des Orpheus lauschen, die Film-Inserts, die vielen Elemente, die hier zu einer perfekten Show montiert wurden, entsteht ein hinreißendes Gesamtkunstwerk. Nicht nur Frankophile schunkelten begeistert mit. Von solch findigem Eklektizismus könnte auch das Kommerz-Musical profitieren. (bp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2014)

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