Theater in der Josefstadt: „Liebelei“ hinter hohen Wänden

FOTOPROBE: 'LIEBELEI'
FOTOPROBE: 'LIEBELEI'(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Alexandra Liedtke inszeniert Arthur Schnitzlers Dreiakter mit Einfühlungsvermögen und Wissen ums Detail. Ein durchaus gelungener Saisonauftakt.

Elektronisches Brummen, das in Geigenklang übergeht, ertönt im Theater in der Josefstadt, während der Vorhang hochgeht. Hinter der imaginären Vierten Wand befindet sich ebenfalls eine Wand, mit riesiger Glasfläche wie in einem Atelier. Aus ihnen lugt ein adretter junger Mann mit grauen Handschuhen, der sich beobachtet fühlt, öffnet eines der Fenster. Dieser Fritz Lobheimer, Protagonist in Arthur Schnitzlers Schauspiel „Liebelei“, sieht in der Inszenierung von Alexandra Liedtke, die am Donnerstag Premiere hatte, bereits todgeweiht aus. Ihn erwartet ein Duell, weil er mit einer verheirateten Dame eine Affäre hatte. Kühl und distanziert wirkt hier das Dilemma.

Florian Teichtmeister spielt diesen Schnösel von Anfang an blass, angstvoll, ausweichend. Fritz hat noch eine Nebenaffäre, mit Christine (Alma Hasun), der Tochter des Violinisten Hans Weiring (Otto Schenk) vom Josefstädter Theater. Um die vor allem dreht sich der Dreiakter, um die Tragödie einer Kleinbürgerin, die schwärmerisch hofft, mit einem besseren Herren zusammenbleiben zu können, aber doch nur benutzt wird von ihren Mitmenschen. Das drückt sich hier deutlich aus: Jeder betätschelt Christine, grapscht nach ihr, als sei sie eine Puppe. Solche armen „süßen Mädel“ standen offenbar zu Schnitzlers Zeiten einfach zur Verfügung.

Wie dies für gewöhnlich ablief, zeigt sich, als Fritz von Theo Kaiser (Matthias Franz Stein) besucht wird, seinen Kameraden in Eroberungszügen. Die Bühne (von Raimund Orfeo Voigt) mit dem immens hohen Raum dreht sich, wir befinden uns in der karg mit dunklen Möbeln ausgestatteten Herrschaftswohnung von Fritz. Theo, der rücksichtslose Hedonist, dessen Wienerisch irgendwo zwischen Meidling und Hietzing angesiedelt ist, hat Christine und ein weiteres Sex-Objekt im Schlepptau, die „Modistin“ Mizi (Eva Mayer), die im Gegensatz zu ihrer Freundin genau weiß, wie vergänglich dieses Vergnügen mit jungen Offizieren ist. Es sei ja nicht für immer, heißt es wie ein Echo aus dem Off.

Verhaltene Party mit Mokkacremetorte

Eine verhaltene Party bahnt sich an, mit Alkohol, Zigaretten, Blumen, Girlanden und Mokkacremetorte. Fritz findet diskret Gefallen auch an Mizis Körper, Theo beginnt sich für Christine ebenfalls zu erwärmen. Die bettelt nur um die Aufmerksamkeit ihres Geliebten, der durchwegs in der Defensive ist. Da tritt das Befürchtete ein. Der Gatte der Dame erscheint (Alexander Strobele, finster entschlossen), fordert unter vier Augen den Ehebrecher. Fritz reagiert ab jetzt völlig fahrig. Zwar will er sich anschließend mit Christine auf einer winzigen Bank vergnügen, verliert jedoch rasch das Interesse. Nach 45 Minuten wird es finster. Geigenklänge, wie des öfteren hier zur Betonung der Atmosphäre. Pause. Weitere 45 Minuten genügen dann, um der missverstandenen Liebe ein fatales Ende zu setzen, nach noch mehr kaum ausgelebter Lust und viel leidvoller Frustration.

Dazu wird durch eine weitere Drehung der Bühne in die „niedere“ Wohnung der Weirings gewechselt, eng auf der Rückseite mit denselben Fenstern: Grobe, hellere Holzmöbel, zwei Bilder und ein winziges Porträt statt einer Büste von Schubert, den der Papa so glühend verehrt. Auch dieses Finale einer durchaus gelungenen Premiere beweist Einfühlungsvermögen und Wissen ums Detail.

Teichtmeister und Mayer meiden dabei das Extrem. Manisch-depressiv ist Fritz hier nicht, und eine Mizi könnte man auch richtig schamlos spielen. Hier hält sie sich zurück. Stein hingegen neigt als Filou zwar ein wenig zur Übertreibung, sein Theo wirkt dennoch authentisch. Therese Lohner spielt eine aufdringliche Nachbarin so hart wie abgespannt, aber das passt zur Kühle hier. Hasun sind die anfänglichen Szenen, in denen es noch schüchtern Hoffnung zu geben scheint, für eine Affäre, die Leidenschaft ahnen lässt, besser gelungen als darauf folgende Passagen sich anbahnender Tragik – außer wenn sie von einem alten Meister wie Schenk liebevoll begleitet wird. Tritt der nämlich auf, als gütiger, wissender Kleinbürger, der seiner Tochter das kleine bisschen Glück gönnt, wird Schnitzlers Ton genau getroffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2014)

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