Zwei einsame Tränen in der dünnen Liebessuppe

(c) EPA (Javier Del Real)
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Juan Diego Flórez überragte als großartiger Nemorino den "Liebestrank"-Abend an der Staatsoper.

Und doch, einmal schien die Stimmung überzuschwappen. Nach Nemorinos „Una furtiva lagrima“ jubelte man in der Wiener Staatsoper. Lang, laut und anhaltend, aus Begeisterung, und weil einige wissen, der Tenor Juan Diego Flórez belohnt sein Publikum gern mit einer Wiederholung. Nicht nur wenn er als Tonio in Donizettis „Regimentstochter“ seine Salven an Hohen Cs zweimal abfeuert, sondern genauso wenn es gilt, den großen Tenorschlager aus Donizettis „Liebestrank“ doppelt wirken zu lassen.

Also tat er es auch diesmal zur großen Freude aller. Dabei wirkte er in das Dacapo sogar unerwartete Verzierungen ein. Wobei man, davon überrascht, gar nicht erkannte, ob diese mit seinem beweglichen Tenor hinreißend gesponnenen Einlagen einem Missverständnis zwischen Bühne und Graben geschuldet oder doch als feiner Überraschungsmoment gedacht waren, um der Wiederholung einen Tick an unerwarteter Spannung zu geben. Einerlei, wenn Flórez als junger, herzig patscherter aber umso liebenswerterer Bauer Nemorino, reichlich mit dem vermeintlichen Liebestrank aufmunitioniert, in den Augen seiner angehimmelten Norina eine verstohlene Träne aus Liebe gesehen haben mochte, erlebte auch dieser Abend endlich einen Höhepunkt.

Alleingang eines Stars. Er war ganz allein Juan Diego Flórez geschuldet, der als einsames Zentrum diesen „Liebestrank“ beherrschte und tragen musste. Mit ungemein sympathischer Spielfreude, amüsanten Späßchen und natürlich seinem Tenor, der zwar auf der „Liebestrank“-Bühne auch kein Riese an Stimmvolumen ist, aber dennoch immer präsent bleibt, geschmeidig fließt, perfekt geführt und gefühlvoll eingesetzt ist und sich gewohnt bombensicher bis in die höchsten und genussvoll ausgekosteten Höhen hinaufschwingt.

Der Sänger sorgte damit für Vorgaben, die so oder so nicht ganz einfach einzuholen sind. Aber solchem Niveau zumindest in Annäherungswerten nahezukommen, das hätte man sich von der übrigen Besetzung an diesem Abend wünschen können. Mit dem geringsten Abstand schaffte das noch Adam Plachetka als Dulcamara. Dabei ist der Quacksalber sicher nicht eine seiner Paraderollen. Sowohl in der Tiefe als auch in der Höhe hört man hier Defizite. Auch darstellerisch legt er den ausgefuchsten Kurpfuscher eher harmlos liebenswert an, ist mehr netter Kumpel als ein seine Kundschaft hinters Licht führender Betrüger.

Adriana Kučerová bezauberte optisch als eine der wohl hübschesten und entzückendsten Rollenvertreterinnen der Adina in der wahrlich nicht kurzen Liste der Wiener „Liebestrank“-Besetzungen. Sängerisch rangiert sie dagegen eher am anderen Ende dieser Skala. Zu viele wenig treffsichere Einsätze, dazu einige holprige Koloraturen und Läufe, die mitunter den Fluss der Musik arg gefährdeten, zuletzt am Ende der Finalarie, passierten ihr mit einem durchaus nett timbrierten aber doch sehr leichten, soubrettigen Sopran. Ebenso ernüchternde Figur machte der Staatsoperndebütant David Pershall als Nermorinos Gegenspieler Belcore. Mit recht engem, einfärbigem Bariton zeigte er sich stimmlich wenig beweglich, schleppte gern, legte dafür aber manch eher unpassende Höhen ein. Wenig Hilfe kam dazu aus dem Orchestergraben, wo Guillermo García Calvo, offenbar der einzige, der in Wien diese Donizetti-Oper dirigieren darf, Schwung und Brio schuldig blieb, vor lauter Mühe, die Koordination zwischen Bühne und Orchestergraben aufrechtzuerhalten. In diesem saßen, nachdem die Wiener Philharmoniker gerade durch die Welt touren, diesmal nur wenige Mitglieder des Staatsopernorchesters, was man allzu deutlich hören musste.

Fazit: Ein großartiger Sänger macht auch große Freude, allerdings noch keinen großen Opernabend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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