Flucht vor der "Fledermaus" in Klagenfurt

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In den Sand des Wörthersees gesetzt: Der Saisonauftakt im Stadttheater Klagenfurt geriet zum Super–GAU.

Schlimmer hätte es nicht kommen können: Als sich nach der von Alexander Soddy flügellahm-fußgängerisch dirigierten Ouvertüre der Vorhang hob, meinte man sich in eine öde Gartenzwerglandschaft im Stil eines Wörtherseemühlen-Blues versetzt, imprägniert von geschmacklosestem Wiener Vorstadtproloslang. Im Vergleich zu dieser Auslöschung erschien in der Erinnerung die Sprachwelt der Mundl-Sackbauer-Dynastie in geradezu Schiller'scher erhabener Klassizität.

Aber es musste so kommen, denn im Programmheft wurde dargetan, dass es Spielleiter Tambosi um einen Kampf gegen die „Veroperung“ (Achtung, Verbürgerlichung!) des Genres und Restituierung des vermeintlich „originalen anarchisch-ekstatischen“ Charakters zu tun war.

Rosalinde als rot-schwarze Domina

Statt „Mein Herr, was dächten Sie von mir, säß‘ ich mit einem Fremden hier?“ im Finale des ersten Aktes reitet denn also die über Alfred kniend kopulierende Rosalinde zu den Worten: „Säß‘ ich auf einem Fremden hier?“ Während des Trink-Couplets des Fürsten Orlowsky masturbiert ein Lack- und Lederboy mit der zwischen die Schenkel geklemmten Wodkaflasche, wohl, um sich auf Rosalinde einzustimmen, die als peitschenschwingende Sado-Maso-Domina erscheint. Für den schneidend grellen Klarinetteneinsatz am Beginn des Csárdás, der sich wie ein Wurzelbehandlungsbohrer ausnahm, sowie für die anschließenden Temporückungen muss man unseren pannonischen Nachbarn Abbitte leisten.

Die Namen des Sängerensembles müssen fairerweise ungenannt bleiben. Waren sie nicht willens oder in der Lage, auf halbwegs akzeptablem Niveau zu „singen“ oder, was zu vermuten ist, war es ihnen untersagt, ihre gewohnte Opern-Stimmkultur einzusetzen?

In den gesprochenen Dialogen saß nicht eine Pointe, dramaturgische Bögen knickten im Ansatz ein. Im zweiten Finale sank just vor der Verbrüderungsszene der Vorhang – ein drastischer Interruptus, Kritik an „unserer Spaßgesellschaft“? Eine Erlösung für den Rezensenten, der erstmals in Ausübung seiner journalistischen Dienstpflicht in der Pause ein Opernhaus verließ, Handkes Worte murmelnd: „Aufstehen, weggehen, welch ein Glück!“ (hasl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)

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