Tanzquartier: Körper wie gut geölte Tanz-Maschinen

Richard Siegals ''Unitxt''
Richard Siegals ''Unitxt'' (c) Wilfried Hösl/Tanzquartier
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Das Bayerische Staatsballett mit Siegal und Cunningham im Tanzquartier: geschliffen.

Emotionen? Gibt es nicht. In Richard Siegals „Unitxt“ sind die Tänzer keine Individuen, deren Schicksal uns berühren, ja nicht einmal interessieren soll. Sie sind vielmehr Teil einer pulsierenden Installation, die in technischer Präzision alles umfasst: den Raum, das manchmal gleißende Licht, die ohrenbetäubenden Elektro-Beats (von Carsten Nicolai alias Alva Noto) – und eben auch diese Menschen, die wie gedrillt ihre Hebungen und Battements abspulen, die in der Mitte einknicken oder zackig mit dem Kopf nicken als wären ihre Körper gut geölte Maschinen. Dazu passt nicht nur der kühl pulsierende Sound, auch die farbreduzierte Ästhetik und die mit Laschen ausgestatteten Corsagen, an denen die Tänzerinnen zurück- oder in die Höhe gerissen werden wie sperriges Transportgut.

Sie funktionieren perfekt, die Tänzer und Tänzerinnen des Bayerischen Staatsballetts, an diesem zweiteiligen Abend im Tanzquartier unter dem Titel „Exits and Entrances“. Neben Siegals 25-minütigem Spitzenschuhfurioso steht die Barfußnummer „Biped“ auf dem Programm – ein exemplarisches Stück Postmoderne des 2009 verstorbenen Tanzinnovators Merce Cunningham.

Schemenhafte Wesen

Cunningham erforschte das Bewegungsrepertoire des Körpers – und nutzte dabei ein Computerprogramm. In „Biped“ wirkt die Bühne wie ein Bildschirm, aus dessen Tiefe Tänzer in irisierenden Trikots auftauchen – als wären sie wie aus dem Nichts einem alten Science-Fiction-Film entstiegen. Ein wenig entrückt kümmern sie sich zum minimalistischen Sound von Gavin Bryars um ihre Arme und Beine, um die Balance – das ergibt puren, geschliffenen Tanz.

Vorn, am transparenten Vorhang (er wirkt wie eine Bildschirmoberfläche), laufen Farbstreifen durchs Bild wie auf einem kaputten Fernseher. Manchmal tauchen überdimensionale Gestalten auf – Wesen, die Cunningham erschuf, indem er Tänzer filmte und die Körper am Computer bearbeitete, bis nur noch Schemen übrig waren. Beeindruckend.

Donnerstagabend, 20:30 Uhr, TQW, Halle E

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2014)

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