Pascalina: Die „Madre“ war streng zu den Kardinälen in Rom

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Unbeugsam wachte die deutsche Schwester Pascalina über Wohl und Wehe Eugenio Pacellis – „ihres“ Papstes Pius XII.

Man nannte sie „Madre“ – daraus sprach der Respekt, den ihre Umgebung vor ihr hatte: Josefine Lehnert (1894–1983) aus Ebersberg in Oberbayern. Bekannt wurde sie mit ihrem Klosternamen Pascalina. Sie war mehr als die langjährige Haushälterin von Papst Pius XII., sie war seine resolute Vertraute, seine Sekretärin. Im Leben dieser Nonne gab es nur einen Fixpunkt, der hieß Dr. Eugenio Pacelli.

Sie hasste Journalisten und Fotografen, war diskret (es gibt kein Foto, das sie allein mit dem Papst zeigt), war aber von deutscher Strenge, wenn es um des Papstes Gesundheit ging. Sie hat, so urteilte kürzlich Benedikt XVI., dem einsamen Mann im Vatikan durch ihre praktische und nüchterne Art einen menschlichen Lebensraum geschaffen, den er brauchte, um in der mörderischen Zeit des 20.Jahrhunderts seiner Aufgabe gerecht zu werden.

Dabei kam Pascalina 1918 nur durch Zufall in seine Dienste. Sie sollte den Haushalt des neuen Apostolischen Nuntius in München in Schwung bringen. Bischof Pacelli war Italiener, ein hochgewachsener asketisch wirkender Adeliger, der den Deutschen mit großer Sympathie entgegenkam.

Pascalina war bald unentbehrlich, sie folgte Pacelli in die Nuntiatur nach Berlin, dann nach Rom, als 1930 die Ernennung zum Kardinal-Staatssekretär erfolgte. Pacelli war nun die Nummer zwei im Vatikan.

Es dürfte der erste und einzige Verstoß gegen das Gebot des Gehorsams gewesen sein: Sie reiste nämlich gegen den Willen ihrer Vorgesetzten nach Rom. Ob Pacelli damals die hyperaktive Dame gerne losgeworden wäre, ist nirgends belegt. Bekannt wurde hingegen, dass Pacellis Schwester Elisabetta äußerst eifersüchtig war, weil sie den vatikanischen Haushalt übernehmen wollte.

Doch an Pascalina kam keiner vorbei. Am 2.März1939 wählte das Konklave nach kurzer Beratungszeit den 63-jährigen Camerlengo Kardinal Pacelli zum Nachfolger von Pius XI. „Wir sind Papst“, wird Pascalina wohl leise gejubelt haben. Es war die Krönung ihres Lebens. Und auch dann herrschte sie nach gewohnter Manier: „Wenn ich mit dem Heiligen Vater gesprochen habe, werde ich Eurer Eminenz berichten“, erhielten Kardinäle oft zur Antwort, wenn sie eigentlich gern den Papst gesprochen hätten.

Das Schweigen des Papstes

Für Freude blieb nicht viel Zeit. Hitlers Krieg stürzte Europa ins Desaster. Pius musste Angst um sein Leben haben, noch mehr aber erschütterte ihn die Verschleppung der Juden. Ein Protest der holländischen Bischöfe wurde von den Nazis mit der Deportation von 40.000 Menschen beantwortet. Pius litt schwer darunter, formulierte einen Protest, gab die Handschrift dann aber Pascalina: „Verbrennen Sie diese Bögen, es ist mein Protest gegen die grauenhafte Judenverfolgung. Heute Abend sollte er im Osservatore Romano erscheinen. Aber das würde vielleicht 200.000 Menschenleben kosten. Das darf und kann ich nicht verantworten. So ist es besser, in der Öffentlichkeit zu schweigen und für diese armen Menschen wie bisher in der Stille alles zu tun, was möglich ist.“

Dieses Schweigen sollte ihm später heftig vorgeworfen werden. Ähnlich wie bei Wiens Erzbischof Kardinal Innitzer wird oft übersehen, welche Anstrengungen zur Rettung der Juden und zur Linderung ihrer Leiden unternommen wurden. So übertrug Pius seiner unentbehrlichen Managerin die Leitung der „Pontificio Commissione Di Assistenza“, ein international agierendes päpstliches Hilfswerk.

Nach dem Krieg stellten sich beide in den Dienst der hungernden Völker in Europa. Münchens Kardinal Michael von Faulhaber bezeichnete seine Landsfrau Pascalina als „die kleine mater misericordiae“.

Am 9.Oktober1958 war sie selbstverständlich dabei, als Pius nach schwerer Krankheit verstarb. Vierzig Jahre hatte sie ihm gedient, nun ging sie nach Bayern zurück. Gestorben ist sie 1983 in Wien. Bundesratspräsident Herbert Schambeck hatte sie schon mehrmals bei Wien-Besuchen betreut. Bei der Abreise erlitt sie eine Gehirnblutung am Flughafen Schwechat, sie starb in der Rudolfstiftung. Ihr Tod war sogar der New Yorker „Time“ eine Story wert. hws

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2008)

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