"Der Weibsteufel": Mordskater und Muskelkater

(c) APA (Hans Klaus Techt)
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Birgit Minichmayr als überwältigender „Weibsteufel“, Martin Kusej inszeniert Karl Schönherr schlicht und gekonnt. Das Publikum lachte und jubelte.

Ein Manager fordert seine hübsche Frau auf, seinem verhassten Gegenspieler schöne Augen zu machen. Dummerweise verlieben sich die beiden ineinander, was Stoff für eine Tragödie wie für eine Komödie liefern könnte, von Feydeau bis Strindberg. „Der Weibsteufel“ aber ist vom Tiroler Arzt und Schriftsteller Karl Schönherr (1867-1943) und spielt im erdigen, ländlichen Milieu. Dieses reduzierte Bühnenbildner Martin Zehetgruber im Akademietheater auf Baumstämme, einen Wald nach einer Schlägerungsorgie, z. B. im Gefolge eines Sturms. Auf den steilen Schrägen müssen die Schauspieler in den knapp zwei pausenlosen Stunden der Aufführung, die Freitagabend Premiere hatte, behände herum turnen, wobei sie eine bemerkenswerte Gelenkigkeit an den Tag legen.

Schrägen sind in Mode. Oft empfindet der Zuschauer Mitleid, auch Zorn über die Schinderei der Mimen. Hier aber ist die Anlage der Bühne durchaus sinnvoll: Wenn „das Weib“ erstmals daran denkt, den Mann aus dem Weg räumen zu lassen, balanciert es barfuß abwärts, später folgt der junge Grenzjäger. Das Bühnenbild unterstreicht das unheimlich Alptraumhafte der Inszenierung Martin Kusejs, die freilich etwas lahm anhebt. „Das Weib“ sitzt brav auf seinem Stamm und will sich vom Mann nicht ins Verderben locken lassen. Sein Ansinnen, sie möge den Jäger umgarnen, damit die Schmuggelei, welche das Haus am Marktplatz finanzieren soll, ungestört vorangehen kann, weist die Frau zunächst zurück.

Drei starke Persönlichkeiten

Werner Wölbern spielt den von Schönherr als schlauen Schwächling gezeichneten Mann. Das wirkt seltsam, denn dieser Kerl ist zwar schlau, aber kein Schwächling. Er wirkt im Gegenteil ziemlich drahtig, von seinen Leiden redet er nur. Vielleicht ist er ein Simulant. Sie mag den Mann, weil sie ihn pflegen kann, wie ein Kind, sagt die Frau. Das Kind geht ihr aber dann doch ab. Der Weibsteufel ist Birgit Minichmayr auf den Leib geschrieben, aber sie stürzt sich keineswegs in die effektvolle Rolle, sondern überzeugt auch als sittsame Ehefrau. Schönherr bediente mit der Schilderung des Weibes eine gängige Haltung, nicht nur seiner Zeit: Dämon Weib zerstört den Mann.

Kusej dagegen erzählt die Geschichte einer Emanzipation. Dadurch, dass die beiden Männer, der Ehegatte und der Jäger, die Frau für ihre Projekte und Begierden missbrauchen, wacht sie auf und erkennt, dass sie ihren eigenen Weg gehen muss, um nicht unter die Räder zu geraten.

Das Auf und Ab dieses Kampfes mit sich und den Männern macht Minichmayr grandios deutlich. Den Verlust des Mannes, seinen Tod, erträgt sie leichter als den Verlust ihrer Unschuld und die Enttäuschung, dass die neue Liebe nicht bringt, was sie erhofft hat. Kopfüber hängt sie über der Szene wie eine antike Heldin, die sich selbst verloren hat. Als sie sich beider Männer entledigt hat – der Gatte ist tot, ermordet vom Jäger, dem betrunkenen und verliebten „Kater“, der nun ins Gefängnis kommt – schreitet die Frau empor und verschwindet zwischen den Baumstämmen: „Jäger, du hast ihn umgebracht, du ganz allein!“ Das ist ihr letztes Wort und auch das der Aufführung. Den Schluss gibt es in verschiedenen Versionen, in einer erschlägt der Jäger auch das Weib. Hier darf es ungestraft triumphieren.

Es ist der Abend der Minichmayr, dieses wilden Mädchens, schmal, energiegeladen, zurückhaltend, exhibitionistisch. Wie sie den Jäger ausspioniert, seine Hand verbindet (bei Schönherr braucht sie bloß den Ärmel nähen), wie sie die Beine spreizt und mit hohen Schuhen über die Bäume klettert, das wird die Besucher magisch anziehen. Das muss man einfach gesehen haben.

Doch auch Nicholas Ofczarek, der sich so tapfer den Herausforderungen großer Rollen und namhafter Regisseure stellt, ist mit diesem „Jäger“ ganz bei sich angekommen. Dieser klotzige Kerl, nach außen brutal, nach innen weichherzig, ein Haudrauf, der sich nach Wärme, Liebe, Nachwuchs sehnt, nach einer Stube, in der er seine Pfeife rauchen kann und nach einer Frau, die ihm die Pantoffeln bringt (was der Weibsteufel womöglich glatt tun würde) ist schlichtweg unwiderstehlich. Mit fast minimalistischen Interpretationen von einer leisen, wuchtigen Dramatik hat Kusej in seiner Frühzeit sein Publikum erobert. Mit dieser Aufführung ist auch er zu seinen Wurzeln zurückgekehrt – nach großen, bewegten, aber nicht immer bewegenden Entwürfen. Schwer vorstellbar, dass diese kleine, bescheidene und insgesamt so glänzend gelungene Aufführung ins Burgtheater übersiedeln könnte. Man wünscht es sich trotzdem. Dort würde dieser „Weibsteufel“ gar manchen noch so fein ausgetüftelten Klassiker ausstechen.

Kein Gedanke, dass der schwerblütige, schwerfällige Schönherr – vergessen scheint, dass er einst immerhin als Gegenspieler Schnitzlers gehandelt wurde – passé sein könnte. Heftiger Applaus nach der Premiere Freitag. Nicht wenige fanden die Vorführung vor allem anfangs äußerst heiter, was zusätzlich Besucher locken dürfte.

AUTOR & AKTEURE RUND UM DEN „WEIBSTEUFEL“

Karl Schönherr, früh verwaister Sohn eines Lehrers aus Axams, verbrachte eine harte Jugend in Bozen. Mit mühsam zusammengespartem Geld studierte er und ließ sich als Arzt in Wien nieder. Er wurde viel gespielt, aber auch gegen Schnitzler ausgespielt und als „Blut-und-Boden-Dichter“ verfemt.

Martin Kusej (47), gebürtiger Kärntner, übernimmt 2011 als Nachfolger Dieter Dorns das Residenztheater in München. Heuer, in Burgchef Klaus Bachlers erster Saison an der Bayerischen Staatsoper, inszeniert Kusej die Eröffnungspremiere: Verdis „Macbeth“(2.10.), ferner im Theater an der Wien „The Rake's Progress“ von Igor Strawinski (Nov.).

Birgit Minichmayr (31), Linzerin, spielte u.a. bei Frank Castorfin Berlin.Als Weibsteufelim Akademietheater ist sie u. a. am 16., 18., 22. und 29. 9. zu sehen, ferner als Narr im „Lear“ (mit Gert Voss) am 25., 30. 9. und 3. 10.

Nicholas Ofczarek (37), Wiener, ist außer im „Weibsteufel“ in „Rosenkriege“ (15., 21. 9.) zu sehen sowie in „Viel Lärm um nichts“ (17.9.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2008)

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