Schauspielhaus Wien: Theater, das unter die Haut geht

„Schwarzes Tier Traurigkeit“ von Anja Hilling – Brandkatastrophe im Wald. Furios gespielt.

Dafür, dass die heutigen Autoren meistens sehr gut ausgebildet sind – Studium und Schreibwerkstatt sind die Mindestausstattung – ist das zeitgenössische Theater nicht sehr innovativ: eine schlichte Geschichte, gern angebunden an antike Mythen, Chaos in den Beziehungen oder ökologisch als Treibsatz, die Sprache alltäglich und prägnant, dazu eine Prise Popmusik, Video. Dieses schematische Rezept verwendet auch die in Berlin lebende Anja Hilling (33).

Das mit rund zwei Stunden für ein junges Drama epische Stück „Schwarzes Tier Traurigkeit“ hat als Paten den vielschichtigen Gott Dionysos, der u.a. für die ungezähmte Natur steht. Es gibt aber auch Anklänge an die Pseudo-Doku „Blair Witch Project“ (junge Leute werden im Wald von einer Hexe gekillt) oder an Shakespeares „Wie es euch gefällt“.

Eine wohlsituierte Patchwork-Gemeinschaft mit Baby möchte einen schönen Sommerabend im Wald verbringen. Man leert Bierdosen, grillt, plaudert, streitet. Danach wird geschlafen. Kurz darauf erwacht die Gruppe in einem Flammenmeer. Nach 34 Tagen ohne Regen hat sich der Wald blitzartig entzündet. Die wilden Camper verursachen den Tod von acht Menschen. Auch das Baby und seine Model-Mutter sterben.

Die beste Bühne Wiens

Dramaturgie und Text sind gut gebaut, gut gemacht. An Hillings handwerklichen Qualitäten gibt es nichts auszusetzen: Der Vortrag von poetischen Szenen-anweisungen wechselt mit pointierten Dialogen, einen Teil der Geschichte erzählen Anrufbeantworter. Die Charaktere sind präzis umrissen: Mittelstand, Kreativ-Business, der Chef einer Model-Agentur, ein Architekt, ein Künstler.

Die Schauspieler sind hinreißend, so hinreißend, dass man sagen muss, neben dem Burgtheater mit seinen tollen Ressourcen, erweist sich das Schauspielhaus wieder einmal als die derzeit beste Bühne Wiens: Geboten wird Theater, das unter die Haut geht, ohne sentimental zu sein. Die herrlichen Künstler/innen heißen Nicola Kirsch, Max Mayer, Peter Ender, Katja Jung, Steffen Höld, Vincent Glander. Tomas Schweigen hat klug inszeniert. Obwohl das Stück redselig ist, gibt es keine Längen – und gute Einfälle: So wird der Wald an die Bühnenrückwand gepinselt (Ausstattung: Susanne Hiller). Diese tolle Aufführung ist allerdings nur für Robuste geeignet: Es geht grauslich zu (verkohltes Baby, verbrannte Menschen, Selbstmord, usw.). bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2008)

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