Schauspielhaus: Ein epischer Knallfrosch

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„Krieger im Gelee“ von Claudius Lünstedt: Guter Titel, mattes Stück, karge Regie, tolles Spiel.

Intelligent Design muss nicht immer nur für eine religiöse Kontroverse stehen. Dem Wortsinn nach bedeutet es ungefähr: findig-innovatives Erscheinungsbild. Das Wiener Schauspielhaus z. B. versteht sich auf intelligentes Design: der fast leere Bühnenraum, die Konzentration auf die Schauspieler, die Stücke Marke „Alptraum im scheinbar saturierten Alltag“. Bei letzterem Punkt liegt gelegentlich auch das Problem.

Man wiederholt sich. Die Ermordung des 11-jährigen Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler 2002 mag dem Münchner Autor Claudius Lünstedt (35) als Ausgangspunkt für sein Stück „Krieger im Gelee“ gedient haben, das Samstag in der Reihe „Schauspielhaus-Skizze“ uraufgeführt wurde. Die „Krieger im Gelee“ sitzen im Gehirn, sie hetzen die Verrückten wie die Normalen. Das dürfte eine der Thesen des Dramas sein.

Mervin (14), ein verwöhnter Knabe, stirbt beinahe, als er sich mit dem Psychopathen Martin trifft, der ihn brieflich mit Südsee-Reisen anlockt. Nachdem Mervin und Martin ihre Version der Story erzählt haben, folgt Katrin, die Freundin von Martins bestem Freund Dieter. Vincent Glander (Mervin), Steffen Höld (Martin) und Nicola Kirsch (Katrin) spielen lebendig und gehen, angeleitet von Regisseurin Daniela Kranz, mit dem Wortschwall (schon wieder Textflächen) souverän um. Würde man sich mehr Action statt Frontalvortrag wünschen?

Nein, aber etwas weniger lineare Geschichten von Jungautoren, die Theorie wälzen und Jungautoren-Werkstätten besuchen, worauf sie statt ernsthaft Realität, Sprache zu knacken, mit Tricks wie abgerissenen Sätzen arbeiten. 90 Minuten dauert der Kurzkrimi, der als weiteres modisches Thema das Prekariat abhandelt und Extremsituationen aneinanderreiht: ein epischer Knallfrosch und auch so wirksam wie dieser. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2008)

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