Kritik Akademietheater: Macbeth geht baden

(c) APA (Hans Klaus Techt)
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Stephan Kimmig verplätschert das Finale des Shakespeare-Zyklus. Er möchte verdeutlichen, was ohnehin offensichtlich ist, er modernisiert, was zeitlos ist.

Der Anfang verheißt viel. Die leere, schwarze Bühne ist von Martin Zehetgruber vier Meter hinter der Rampe vollständig verspiegelt worden, mit Theaterglas, das einige überraschende Lichteffekte und auch ein Spiegelkabinett verspricht. Kalt ist es im unendlichen Weltraum. Alles nur Blendwerk. Das passt zum Programm. „Macbeth“ hatte am Freitag im Akademietheater Premiere, Shakespeares dunkelste und kürzeste Tragödie, die er als reifer Mann unter der Herrschaft des Stuart-Königs JamesI. wahrscheinlich um 1606 schrieb, ganz nah am Hof, vor allem für ein politisch gebildetes Publikum.

Am adeligen Ehepaar Macbeth aus Schottlands Frühzeit, das durch Mord zur Königsmacht gelangt, hat Shakespeare das absolut Böse dargestellt. Es verführt die Protagonisten durch unheimliche Mächte und lässt sie schließlich im Nihilismus enden. Karrierist Macbeth möchte unbedingt wissen, was die Zukunft bringt. „Nichts“, lautet die Antwort. Der Text ist reich an Metaphern, voller Fragen und in seiner Verknappung unfassbar spannend, ein psychologisches Meisterwerk. Mit ihm muss man behutsam umgehen.

Überinterpretation schadet dem Ganzen

Regisseur Stephan Kimmig aber, der zuletzt in Hamburg eine tolle Kurzversion von Schillers „Maria Stuart“ geschaffen hat, verplätschert diesmal einen größeren Text, wahrscheinlich in bester Absicht. Er möchte verdeutlichen, was ohnehin offensichtlich ist, er modernisiert, was zeitlos ist. Diese Überinterpretation, so intelligent sie gemeint sein mag, schadet dem Ganzen.

Kommen wir zur größten Schwäche: Eine dunkle Tragödie ist „Macbeth“, sagt man. Kimmig nimmt das zum Anlass, die längste Zeit in Finsternis zu spielen. Das macht die kurzen Hexenszenen besonders effektvoll – drei Herren mit goldenen Stetsons (Martin Reinke, Sven Dolinski und Markus Meyer in Zweitrollen) pressen ihre Gesichter gegen die Spiegel, sie werden ganz unheimlich angeleuchtet, wenn sie Macbeth raunend die Zukunft weisen, im Singsang von Sirenen, unter falschem Vogelgezwitscher. Aber weil dann in dieser omnipräsenten Finsternis die Protagonisten Dietmar König und Birgit Minichmayr eine sensible Familienaufstellung vollführen müssen, wird der Abend sehr rasch zum Schnarchen langweilig.

Minichmayr ist im Vergleich zum „Weibsteufel“, den sie derzeit ebenfalls am Akademietheater spielt, nur ein Schatten. Gibt sie hinter dem Glas die smarte Geschäftsfrau im flotten Kostüm, ist sie akustisch kaum verständlich. Ihre starke Ausdruckskraft wirkt selbst an der Rampe seltsam zurückgenommen. Als würde Minichmayr in die falsche Rolle gepresst. Die großen Momente sind rar. Ein schöner Augenblick immerhin: Während ihr Mann verstört mit blutigen Dolchen herumläuft, löffelt sie unbeteiligt Joghurt.

König, ein ohnehin subtiler Typ, spielt noch diskreter als seine Partnerin. Schlimm für ihn; diesem braven Mann nimmt man das Ungeheuer nicht ab, als das sich Macbeth entpuppt, da mag er noch so sehr um Fassung kämpfen, wenn König Duncan (Reinke) als Aufsichtsrat mit nachlässiger, zynischer Gebärde die Herrschaftsgeschäfte regelt.

Der wäre eigentlich ideal für die Titelrolle, so stark ist Duncan eigentlich gar nicht vorgesehen, aber Reinke überzeugt als Nummer eins. Wenn er im weißen Anzug und schwarzen Hemd hinten in der Tür steht und vorsichtig die Bühne taxiert, drängeln sich hinter ihm die Höflinge. Mies gelaunt vergibt er Ämter und Ehrungen. Der ist kein argloser Herrscher, sondern ein tückisches politisches Vieh, das zu jeder Schandtat bereit ist. Die schamloseste Geste der Macht: Er lässt sich von Gastgeberin Macbeth ausgiebig am Hinterkopf kratzen. Sie wischt sich diese erniedrigende Intimität angewidert beim Abgehen heimlich am Rock ab.

Macbeth hingegen wirkt umso seltsamer, weil Kimmig den Text (in einer Fassung von Angela Schanelec) viel zu drastisch gekürzt, auf den größten Effekt hin zugeschnitten hat. Nur die Filetstücke aus den großen Monologen werden vorgetragen, ohne die nötigen Töne dazwischen, als befinde man sich in einer Readers-Digest-Shakespeare-Show. Und im fünften Akt gibt es auch noch einen Rollentausch – vollkommen überflüssig! Der König wird wahnsinnig und scheidet aus dem Leben, die Lady übernimmt seinen Part und monologisiert sich in den Untergang. Ein misslungener Gag. Die Gattin wirkt bei Shakespeare auch deshalb so schrecklich, weil sie, als der Kampf verloren scheint, so konsequent in den Tod geht, während Macbeth bis zuletzt nur vermeintlich stark ist.

Seichtes Finale im Plantschbecken

Bei Kimmig sieht das so aus: Familie Macbeth geht baden. Die Bühne ist zum großflächigen Plantschbecken geworden, weil sich die Mörder vergeblich das Blut von den Händen waschen wollen. Schließlich setzt die Lady ihren verblichenen Gatten in einen aufblasbaren Pool-Sessel, sie plätschert nachdenklich dahin, und dann wird auch noch sie von Macduff (Markus Hering überzeugt auch zuvor schon als Killer) im seichten Wasser ertränkt.

Seicht ist auch das Finale, in dem es Tonausfälle gab (kein „Macbeth“ ohne Pannen). Der neue König Malcolm (Meyer, anfangs eine Art Harry Potter mit verharmlosender Brille, im Amt rasch lernfähig) darf an einem rasch herbeigeschafften Pult Versatzstücke aus neuesten Reden amerikanischer Präsidenten vortragen. Schließlich folgt ein gemeinsames Vaterunser, die Herren pressen ihre Stetsons fromm an die Brust. Das ist allerdings ein starker Kontrast in dieser angeschickten Umgebung.

Aktualisierungszwang gibt es von Beginn an, wenn sich Macbeth und Banquo (glänzend Tilo Werner, der bald vom König den Todeskuss empfängt) mit breiten goldenen Hüten ins Publikum setzen und wie Öl-Barone über Geschäfte und den Krieg sprechen. Die Kostüme (Katharina Kownatzki) sind aussagekräftig: Manche Hüte und Cowboystiefel sind viel zu groß, beinahe lächerlich wirken die Gürtelschnallen, nur das Kleid der Lady passt perfekt. Sie ist aber nicht in Spiellaune. Kein Wunder, dieser Shakespeare war dem Regisseur eine halbe Nummer zu groß.

Auf einen Blick

Pfiffe und Buhrufe erntete Regisseur Stephan Kimmig Freitagabend für „Macbeth“ am Akademietheater. Das düstere Bühnenbild stammt von Martin Zehetgruber, die Shakespeare-Fassung von Angela Schanelecwurde drastisch gekürzt, am Ende wechseln Macbeth (Dietmar König) und seine Lady (Birgit Minichmayr) die Rollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2008)

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